
Am 11. Juli 2025 jährt sich das Massaker von Srebrenica, ein Völkermord, der als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt, zum 30. Mal. Zwischen dem 11. und 19. Juli 1995 wurden in der ostbosnischen Stadt über 8.000 bosniakische Männer und Jungen von bosnisch-serbischen Truppen unter der Führung von General Ratko Mladić systematisch ermordet. Die Welt gedenkt heute der Opfer und reflektiert die Lehren aus dieser Tragödie, während die Aufarbeitung in der Region weiterhin politische Spannungen auslöst.
Das Massaker ereignete sich in einer von den Vereinten Nationen (UN) als „sichere Zone“ ausgewiesenen Enklave. Während des Bosnienkriegs (1992–1995) war Srebrenica ein Zufluchtsort für Zehntausende bosniakische Flüchtlinge. Trotz der Präsenz von etwa 400 niederländischen Blauhelmsoldaten, die jedoch nur leicht bewaffnet waren und kein Mandat für den Einsatz von Waffengewalt hatten, fiel die Stadt am 11. Juli 1995 an die Armee der Republika Srpska. In den folgenden Tagen wurden Männer und Jungen im Alter von 13 bis 78 Jahren von Frauen, Kindern und älteren Menschen getrennt, systematisch hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Viele Opfer wurden an Exekutionsstätten wie dem Staudamm Crveni Mulj in Petkovci gebracht. Überlebende wie Nedzad Avdic berichten dort von den brutalen Erschießungen. Frauen und Mädchen wurden massenhaft Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen von Gewalt.
Die Täter versuchten, ihre Verbrechen zu vertuschen, indem sie Leichen in sekundäre Massengräber umbetteten. Bis 2009 wurden 37 solcher Gräber entdeckt und bis heute haben forensische Experten Überreste von etwa 8.000 Opfern exhumiert, von denen 6.838 bis 2012 identifiziert wurden.
Als erste Berichte und Satellitenbilder der Gräueltaten ans Licht kamen, löste das Massaker weltweite Empörung aus. Der UN-Sonderberichterstatter Tadeusz Mazowiecki trat aus Protest gegen die Passivität der internationalen Gemeinschaft zurück. Daraufhin startete die NATO die Operation Deliberate Force, die den Rückzug serbischer Truppen erzwang und den Weg für das Dayton-Abkommen ebnete, welches den Krieg im Dezember 1995 beendete.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und der Internationale Gerichtshof (IGH) stuften das Massaker im Jahr 2004 bzw. 2007 als Völkermord ein. Hauptverantwortliche wie Radovan Karadžić und Ratko Mladić wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Insgesamt wurden 20 Personen wegen Verbrechen in Srebrenica angeklagt, darunter General Radislav Krstić, der zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde. Dennoch laufen noch Verfahren und etwa 1.000 Opfer gelten weiterhin als vermisst.
Trotz der internationalen Anerkennung als Völkermord wird das Massaker in Teilen der Region, insbesondere in der serbisch dominierten Republika Srpska, geleugnet oder relativiert. So bestreitet der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, die Opferzahlen und den Genozid-Charakter, was nach bosnischem Recht eine Straftat darstellt. Solche Leugnungen vertiefen die Spaltung in Bosnien-Herzegowina, wo ethnische Gruppen unterschiedliche Narrative pflegen. Während bosniakische Gemeinschaften, unterstützt von Vereinen wie den „Müttern von Srebrenica“, Wahrheit und Gerechtigkeit fordern, verweisen serbische Nationalisten auf eigene Kriegsopfer, um die Verbrechen zu relativieren.
Am 11. Juli 2025, dem ersten offiziellen Internationalen Tag des Gedenkens an den Völkermord von Srebrenica, der im Mai 2024 von der UN-Vollversammlung ausgerufen wurde, finden weltweit Gedenkveranstaltungen statt. In Potočari, wo sich ein Gedenkfriedhof mit den Überresten von über 8.300 Opfern befindet, versammeln sich Überlebende und Angehörige, um der Toten zu gedenken. Die von Deutschland und Ruanda eingebrachte Resolution verurteilt die Leugnung des Völkermords und fordert Versöhnung. Dennoch stieß sie auf Widerstand, unter anderem von Serbien, Russland und China, die die Region als gespalten betrachten.
Überlebende wie Nedzad Avdic, der das Massaker als 17-Jähriger überlebte, betonen die Notwendigkeit, die Erinnerung wachzuhalten und gegen Nationalismus zu kämpfen. „Ich habe es versucht”, sagt Avdic, der als Rückkehrer in Srebrenica lebt, „aber die Leugnung des Völkermords macht es schwer.”
Das Massaker von Srebrenica bleibt ein Symbol für das Versagen der internationalen Gemeinschaft und die zerstörerische Kraft von Hass und Intoleranz. Die Vereinten Nationen (UN) und Organisationen wie Amnesty International rufen dazu auf, die Lehren aus dem Jahr 1995 zu ziehen, um künftige Gräueltaten zu verhindern. „Wir ehren die Opfer und unterstützen die Überlebenden, die weiterhin mit den Narben leben“, sagte die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse.
Die Gedenkstätte in Potočari und die Stimmen der Überlebenden erinnern die Welt daran, dass Wahrheit und Gerechtigkeit unerlässlich sind, um die Wunden eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte zu heilen.
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