Viele Menschen mögen sich mit der Definition eines Universalgelehrten schwertun: Was genau ist ein Universalgelehrter? Ab wann gilt man als einer? Worin unterscheidet sich ein solcher von einem herkömmlichen Gelehrten? Und obschon die Grenzen uns hier nicht immer deutlich scheinen, gibt es dennoch Namen, die wir eindeutig mit solch unfassbaren Talenten und Leistungen verbinden, dass wir ohne große Mühe von Universalgelehrten zu sprechen wagen. Doch neben jenen, die uns häufig im alltäglichen Leben begegnen, wie z.B Aristoteles oder Leonardo da Vinci, gibt es auch jene, die längst vergessen scheinen. Zweifellos fällt al-Chwarizmi (latinisiert: Algoritmi) in letztere Kategorie. Denn mit seinen faszinierenden Entdeckungen gilt der Mathematiker, Astronom und Geograph Abu Dschaʿfar Muhammad ibn Musa al-Chwārizmī, der im 8./9. Jahrhundert lebte, nicht nur als Inspirationsquelle für seine Zeitgenossen. Seine Genialität erweist sich auch zahlreichen Wissenschaftlern nach ihm als ein Licht im dunklen Mittelalter und durchdringt somit historische Epochen, die er selbst nie erlebte. Bis heute bauen Fortschritte in den jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen auf Vorwissen auf, das auf ihn zurückgeht.
So revolutionierte er beispielsweise alle modernen Zahlensysteme, in dem er die Verbreitung der Ziffer Null durch ihre Überführung aus dem indischen ins arabische Zahlensystem gewährleistete. Darüber hinaus verfasste er im Jahre 830 ,,Das kurz gefasste Buch über die Rechenverfahren durch Ergänzen und Ausgleichen”, in dem er klare Regeln und Beispiele präsentierte. Außerdem ermöglichte er mit diesem Werk auch die geometrische Perspektive bei der Auseinandersetzung mit linearen und quadratischen Gleichungen einzubeziehen. Mit diesem neuen Denkanstoß visualisierte er nicht nur die mathematischen Probleme, sondern machte sie auch Laien leichter zugänglich. Schließlich wurde das Buch mehrere Male vom Arabischen ins Lateinische übersetzt, wobei dann der Begriff Algebra (arabisch: al-ǧabr) dem Titel des Buches entnommen wurde. Genauso leitet sich auch der Begriff des Algorithmus, welches für festdefinierte Rechenverfahren steht, von seinem latinisierten Namen Algoritmi ab.
In der Astronomie stützte er sich bei seinem Werk ,,Zīj al-Sindhind” (,,Astronomische Tabellen von Sindhind”) stark auf indische Astronomen und legte 116 Berechnungstabellen für astronomische Kalenderberechnunen dar. Auch wenn die originale Handschrift heute nicht mehr existiert, findet sich die lateinische Übersetzung des Buches, die ein paar Jahrhunderte später entstand, immer noch in manch großen Bibliotheken, wie z.B. der Bibliothèque Mazarine in Paris.
Al-Chwarizmi verbrachte sein Leben hauptsächlich in Bagdad, der damaligen Metropole des Wissens. Dort war er neben zahlreichen anderen Gelehrten in dem ,,Bayt al-Hikmah” tätig, dem sogenannten ,,Haus der Weisheit”, welches vom Kalifen errichtet wurde, um die Wissenschaft voranzutreiben. Heute tragen viele Forschungsinstitute sowie ein Mondkrater und ein Asteroid seinen Namen. Auch die Sowjetunion ehrte ihn mit seinem Gesicht auf ihren Briefmarken. In Usbekistan wurde ihm sogar ein Denkmal errichtet. Doch trotz allem scheinen viele Menschen einen der bedeutendsten Wissenschaftler der Geschichte und seinen Ursprung vergessen zu haben.
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