Bombenanschlag auf das King David Hotel in Jerusalem: 91 Tote

Am 22. Juli 1946 erschütterte ein Bombenanschlag das King David Hotel in Jerusalem. Dabei wurden 91 Menschen getötet und 46 weitere verletzt. Der Anschlag, verübt von der zionistischen Untergrundorganisation Irgun, zielte auf das britische Verwaltungszentrum im Mandatsgebiet Palästina ab und gilt als einer der tödlichsten Terrorakte des 20. Jahrhunderts. David Ben-Gurion, der spätere erste Premierminister Israels, stand in einem komplexen Verhältnis zu diesem Ereignis, da er als Vorsitzender der Jewish Agency indirekt in die Planung verwickelt war, sich jedoch öffentlich distanzierte.

Das King David Hotel war während der britischen Mandatszeit Sitz der britischen Verwaltung und des militärischen Hauptquartiers für Palästina und Transjordanien. Die Irgun unter der Führung von Menachem Begin plante den Anschlag, um Dokumente zu zerstören, die die Jewish Agency mit Angriffen gegen die Briten in Verbindung brachten. Diese Dokumente waren während der britischen „Operation Agatha”, einer Razzia gegen jüdische Untergrundgruppen, beschlagnahmt worden.

Der Anschlag wurde ursprünglich mit Zustimmung der Haganah geplant. Dabei handelte es sich um eine jüdische Miliz, die eng mit der Jewish Agency und deren Vorsitzendem David Ben-Gurion verbunden war. Ben-Gurion leitete die Jewish Agency von 1935 bis 1948 und war eine zentrale Figur in der zionistischen Bewegung. Er koordinierte die politischen und militärischen Aktivitäten der jüdischen Gemeinschaft in Palästina. Historische Berichte, etwa von Menachem Begin selbst, legen nahe, dass Ben-Gurion die Aktion zunächst guthieß, da sie Teil eines umfassenderen Plans war, britische Dokumente zu vernichten, die die Jewish Agency belasteten. Doch die Haganah zog ihre Zustimmung zurück, ohne dass dies die Irgun erreichte. Am 22. Juli 1946 brachten Irgun-Kämpfer, die sich als arabische Arbeiter verkleidet hatten, sieben Milchkannen mit je 50 Kilogramm Sprengstoff in das Kellerrestaurant „La Regence“ des Hotels. Um 12:37 Uhr detonierte die Bombe und zerstörte den westlichen Teil des Südflügels.

Bei der Explosion wurden 91 Menschen getötet: 41 Araber, 28 Briten, 17 Juden, zwei Armenier sowie je ein Russe, Grieche und Ägypter. Unter den Opfern befanden sich 21 hochrangige Regierungsbeamte, 49 Angestellte des Hotels und der Verwaltung, 13 Soldaten, drei Polizisten und fünf Passanten. Die Rettungsarbeiten dauerten drei Tage, in denen 2.000 LKW-Ladungen Schutt entfernt wurden. Sechs Überlebende wurden geborgen, darunter der stellvertretende Sekretär Downing C. Thompson, der jedoch eine Woche später starb.

Die Irgun behauptete, Warnungen an das Hotel, die Zeitung „Palestine Post” und das französische Konsulat gesendet zu haben, um die Zahl der Opfer zu minimieren. Diese Warnungen, die 25 Minuten vor der Explosion ausgesendet wurden, wurden jedoch ignoriert oder erreichten die zuständigen Stellen nicht rechtzeitig. Britische Offizielle bestritten lange, gewarnt worden zu sein. Doch 1979 bestätigte ein britisches Parlamentsmitglied, dass eine Warnung in der Hotelbar spöttisch abgetan worden war.

David Ben-Gurion befand sich in einer heiklen Position. Als Vorsitzender der Jewish Agency war er in die strategischen Entscheidungen der zionistischen Bewegung eingebunden, einschließlich der Koordination mit der Haganah, die den Anschlag ursprünglich unterstützt hatte. Laut Historikern wie Tom Segev („One Palestine, Complete”) war Ben-Gurion über die Planungen informiert, drängte jedoch auf eine Begrenzung ziviler Opfer. Nachdem die Haganah ihre Zustimmung zurückgezogen hatte, distanzierte sich Ben-Gurion öffentlich von der Irgun und verurteilte den Anschlag als „verheerenden Akt“, um den internationalen Ruf der Jewish Agency zu schützen. Seine Verurteilung war jedoch auch politisch motiviert, da er einerseits die Kontrolle über die zionistische Bewegung behalten und andererseits die Spannungen mit den Briten abmildern wollte.

Dennoch bleibt Ben-Gurions Rolle umstritten. Kritiker werfen ihm vor, durch seine anfängliche Unterstützung indirekt Verantwortung zu tragen. Seine Befürworter argumentieren hingegen, dass er die Eskalation nicht voraussehen konnte und die Irgun letztlich unabhängig handelte. Seine spätere Verurteilung half, die Jewish Agency von direkter Schuld freizusprechen und den Weg für die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 zu ebnen, bei der Ben-Gurion eine Schlüsselrolle spielte.

Der Anschlag löste weltweite Empörung aus. Der britische Premierminister Clement Attlee bezeichnete ihn im Unterhaus als „brutalen und mörderischen Akt“. Die Jewish Agency unter Ben-Gurions Führung distanzierte sich öffentlich davon, ebenso wie die Haganah, obwohl beide zunächst in die Planung eingebunden waren. Der Sicherheitsanalyst Bruce Hoffman bezeichnete den Anschlag als Tragödie „beispiellosen Ausmaßes“, da die hohen Opferzahlen trotz vorheriger Warnungen nicht verhindert werden konnten.

Der Anschlag beschleunigte den britischen Rückzug aus Palästina im Jahr 1948 und trug zur Gründung des Staates Israel bei. Dessen erster Premierminister wurde Ben-Gurion. Dennoch bleibt dieser Vorfall umstritten. Die Irgun betrachtete das Hotel als legitimes militärisches Ziel, während viele den Angriff auf ein ziviles Gebäude verurteilten. Im Jahr 2006 sorgte eine Gedenkveranstaltung mit einer Plakette, die die britische Ignoranz der Warnungen kritisierte, für diplomatische Spannungen mit Großbritannien.

Der Bombenanschlag auf das King David Hotel markierte einen Wendepunkt in der zionistischen Untergrundbewegung und beeinflusste spätere terroristische Taktiken. Er zeigte die Macht des Terrors als politisches Instrument. Heute ist das King David Hotel, das seit 1958 zur Dan Hotels-Gruppe gehört, ein Symbol für Luxus und Geschichte. Doch der Anschlag von 1946 bleibt ein dunkles Kapitel.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*