
Heute jährt sich die Hinrichtung von Scheich Said von Piran, einer zentralen Figur des islamischen Widerstands gegen die junge türkische Republik unter Mustafa Kemal Atatürk, zum 100. Mal. Am 29. Juni 1925 wurde Scheich Said zusammen mit 47 weiteren islamischen Gelehrten und Anhängern in Diyarbakır hingerichtet, nachdem sie am Vortag vom türkischen Unabhängigkeitsgericht zum Tode verurteilt worden waren. Sein letzter Ausspruch „Es ist mir gleichgültig, an diesen wertlosen Ästen gehängt zu werden. Mein Kampf gilt Allah und seiner Religion“, spiegelt seinen unerschütterlichen Glauben wider.
Der Scheich-Said-Aufstand, der im Februar 1925 im Dorf Piran (heute Dicle) begann, war eine Reaktion auf die radikale Säkularisierungspolitik der türkischen Regierung. Nach der Abschaffung des Kalifats im Jahr 1924 sahen viele Kurden, insbesondere aus den zazaischen Stämmen, ihre religiöse und kulturelle Identität bedroht. Unter der Führung von Scheich Said, der sowohl religiöse als auch stammespolitische Autorität besaß, vereinte der Aufstand islamistischen Widerstand gegen die Säkularisierungspolitik.
Scheich Said, 1865 in Hinis oder Palu geboren, mobilisierte zahlreiche Stämme und eroberte Städte wie Genç, Maden und Elazığ. Trotz anfänglicher Erfolge wurde der Aufstand innerhalb weniger Wochen von der türkischen Armee mit massiven Luft- und Bodenangriffen niedergeschlagen. Mindestens 15.000 Menschen starben und Hunderte kurdische Dörfer wurden zerstört. Ende April 1925 wurde Scheich Said auf dem Weg nach Muş gefasst – sein Schwager, ein ehemaliger osmanischer Offizier, hatte ihn verraten.
Im Zusammenhang mit dem Aufstand verfolgten die türkischen Behörden über 7.000 Personen, von denen mehr als 600 hingerichtet wurden. Die Hinrichtungen, darunter die von Scheich Said, fanden öffentlich statt. Die Grabstätten der Hingerichteten sind bis heute unbekannt. In der türkischen Geschichtsschreibung wird der Aufstand oft als reaktionärer Versuch eingestuft, die Scharia wieder einzuführen.
In der islamischen Gemeinschaft wird er jedoch als Symbol für den Kampf um Freiheit und Identität verehrt und sein Vermächtnis lebt fort. Die Forderung nach Aufklärung über die Grabstätten und eine Neubewertung der Geschichte ist nach wie vor aktuell, wie die Politikerin Tülay Hatimoğulları von der HDP betont.
Die Ereignisse von 1925 werfen auch heute noch Fragen zur türkischen Vergangenheitsbewältigung auf. Während einige den Aufstand als Bedrohung für die junge Republik sehen, betrachten andere ihn als legitimen Widerstand gegen Unterdrückung.
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