Am 1. Juli 2009 wurde die 31-jährige ägyptische Pharmazeutin und Mutter Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden Opfer eines brutalen, rassistisch motivierten Mordes. Die Tat ereignete sich vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes und ihres Ehemannes und schockierte nicht nur Deutschland, sondern löste weltweit Empörung aus, insbesondere in der muslimischen Welt. Marwa El-Sherbini wurde zum Symbol für die tödlichen Folgen von Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus.

Sie wurde 1977 in Alexandria, Ägypten, geboren, hatte Pharmazie studiert und war von 1992 bis 1999 Mitglied der ägyptischen Handballnationalmannschaft. 2005 zog sie mit ihrem Ehemann Elwy Ali Okaz nach Deutschland, wo er eine Promotionsstelle am Max-Planck-Institut in Dresden erhielt. Marwa arbeitete in einer Apotheke und absolvierte ein Programm zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses. Sie war eine selbstbewusste Muslimin, die offen ihr Kopftuch trug.

Der fatale Konflikt begann im August 2008 auf einem Spielplatz in Dresden. Marwa bat den Russlanddeutschen Alex Wiens, eine Schaukel für ihren Sohn freizugeben. Dieser reagierte mit einer Flut rassistischer und islamfeindlicher Beleidigungen, nannte sie „Terroristin” und „Islamistin” und drohte ihrem Sohn. Marwa zeigte ihn an, was zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe führte. Wiens legte Berufung ein und in der Berufungsverhandlung am 1. Juli 2009 eskalierte die Situation auf grausame Weise.

Während der Verhandlung im Landgericht Dresden, in der Marwa als Zeugin aussagte, griff Alex Wiens sie plötzlich mit einem mitgebrachten Küchenmesser an. Er stach 16 Mal auf die im dritten Monat schwangere Marwa ein. Sie erlitt tödliche Verletzungen an Herz, Lunge, Leber und Milz und starb noch im Gerichtssaal. Ihr Ehemann, der ihr zu Hilfe eilte, wurde ebenfalls schwer verletzt. Ein herbeigerufener Polizist schoss irrtümlicherweise auf ihn statt auf den Täter. Die Tat geschah vor den Augen ihres Sohnes und schockierte die Anwesenden, darunter Richter und Anwälte.

Der Prozess gegen Alex Wiens begann am 26. Oktober 2009 unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Wiens zeigte keinerlei Reue und machte weiterhin islamfeindliche Äußerungen. Am 11. November 2009 wurde er wegen Mordes an Marwa El-Sherbini und versuchten Mordes an ihrem Ehemann zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellte eine besondere Schwere der Schuld fest, wodurch eine vorzeitige Haftentlassung praktisch ausgeschlossen ist. Das Motiv der Tat wurde eindeutig als antimuslimischer Rassismus und Fremdenhass identifiziert.

Der Mord löste in Ägypten und der muslimischen Welt Proteste aus, da die anfängliche mediale Berichterstattung in Deutschland den rassistischen Hintergrund der Tat oft herunterspielte. In Ägypten wurde Marwa als „Märtyrerin des Kopftuchs” verehrt und es kam zu antideutschen Protesten. Der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad forderte sogar Sanktionen gegen Deutschland. In Deutschland selbst führte die Tat zu Debatten über die Sicherheit in Gerichtssälen und den Umgang mit antimuslimischem Rassismus. Seit 2015 wird der 1. Juli in Deutschland als Tag gegen antimuslimischen Rassismus begangen.

Der Mord an Marwa El-Sherbini verdeutlicht die Gefahren von Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus – insbesondere für Frauen, die durch das Tragen eines Kopftuchs als Musliminnen erkennbar sind. Laut der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM) stieg die Zahl antimuslimischer Vorfälle in Deutschland im Jahr 2023 auf über 1.900 – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Beleidigungen, Diskriminierung und Gewalt sind für viele von ihnen Alltag.

In Dresden wurde das Marwa-El-Sherbini-Stipendium für Weltoffenheit und Toleranz ins Leben gerufen und im Landgericht erinnert eine Gedenktafel an die Tragödie. Dennoch beklagen Aktivisten wie Olga Sperling vom Ausländerrat Dresden, dass der Mord kein nachhaltiges Umdenken in der Gesellschaft bewirkt hat. Antimuslimischer Rassismus bleibt ein drängendes Problem, von dem muslimische Frauen besonders oft betroffen sind.

Marwa El-Sherbini war eine mutige Frau, die sich gegen Rassismus wehrte und dafür mit ihrem Leben bezahlte. Ihr Tod ist eine Mahnung, dass Worte schnell in tödliche Gewalt umschlagen können, wie Dresdens Bürgermeister Jan Donhauser betonte. Die jährlichen Gedenkveranstaltungen in Dresden und die Einrichtung des Tages gegen antimuslimischen Rassismus halten ihr Andenken lebendig und fordern die Gesellschaft auf, gegen Hass und Diskriminierung aktiv zu werden.