Interview mit dem Islamischen Zentralrat Schweiz über das Minarettverbot

Die anti-muslimische Stimmung in unserer Gesellschaft steigt und steigt und wird immer mehr von vielen Personen wahrgenommen. Wir schrieben mit dem Islamischen Zentralrat in der Schweiz über dieses ansteigende fremdenfeindliche Klima und gingen insbesondere auf das Minarettverbot in der Schweiz ein.

Können Sie sich als Islamischer Zentralrat Schweiz kurz vorstellen?

Gegründet 2009 im Zusammenhang mit der Minarett-Initiative ist der Islamische Zentralrat Schweiz die einzige muslimische Grassroot-Organisation der Schweiz und der wichtigste Akteur in der Bekämpfung von Islamophobie, sowie der Vertretung und Verteidigungnormativer islamischer Werte im öffentlichen Diskurs. Überdies bietet der Islamische Zentralrat Schweiz diverse Dienstleistungen für die Muslime in der Schweiz an (u.a. Konversion und Betreuung von Neu-Muslimen, Nikah, Ehe- und Familienberatung, Rechtsberatung), veranstaltet diverse kleinere und grössere Events (z.B. Eid-Feste, Kids-Days, Freizeitprogramme) und beteiligt sich aktiv an der Meinungsbildung vor allem für junge Muslime über verschiedene Social Media Plattformen.

Wie ist es zu solch einem Minarett-Verbot gekommen?

Die Initianten der “Eidgenössischen Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten” entstammen dem rechten politischen Spektrum um SVP und EDU. Es gelang ihnen in der geforderten Zeit, genug Unterschriften für ihr Anliegen zu sammeln, um es zur Abstimmung vor das Volk zu bringen. Letztlich ging es ihnen nicht ausschließlich um den (Nicht-) Bau von Minaretten, sondern vielmehr sahen sie im Minarett ein Symbol für Zwangsehe, Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols, Diskriminierung von Frauen und dergleichen, Dinge, die sie als explizit islamisch und deshalb vom Minarett repräsentiert definierten. Während des Abstimmungskampfes wurden allerlei islamophobe Argumente hervorgeholt, die als Beleg für ein generelles Misstrauen gegenüber und gar eine gezielte Ablehnung von Muslimen in bestimmten Bereichen der Gesellschaft gelten können. Ausserdem, so die Argumentation, sei ein Minarett nicht notwendig, um den islamischen Glauben zu praktizieren, stehe somit gar für einen Herrschaftsanspruch des Islams und ein Verbot tangieren entspreche auch nicht das verfassungsmässige Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Zwar empfahl der Bundesrat die Ablehnung der Minarett-Initiative, jedoch wurde sie am 29. November 2009 mit einem Volksmehr von 57,8% und einem Stände von mehr als 19,5 Stimmen angenommen. Das Minarett-Verbot ist dabei nicht das erste, nicht-christliche Religionsgemeinschaftendiskriminierende Gesetz, das es in die Schweizer Bundesverfassung geschafft hat. Mit dem seinerzeit antisemitisch motivierten und bis heute gültigen Schächtverbot von 1894 fand quasi eine unrühmliche Tradition ihren Anfang.

Wie hat man gegen solch ein Verbot agiert?

Der Islamische Zentralrat Schweiz hat beispielsweise mit dem Tag gegen Islamophobie und Rassismus auf dem Bundesplatz in Bern und in Begleitung von zahlreichen islamischen Vertretern aus dem In- und Ausland versucht, auf den diskriminierende Charakter der Initiative aufmerksam zu machen und die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen eines solchen Verbots aufzuzeigen. Bis heute erinnert der Islamische Zentralrat Schweiz am 29. November jeden Jahres mit verschiedenen Aktionen an das Minarett-Verbot.

Was hat sich seit dem Minarett-Verbot für die Muslime geändert?

Dass Muslime in der Schweiz keine Moscheen mit Minaretten bauen dürfen, ist sicherlich die offensichtlichste Folge dieses Verbots. Faktisch ist die viel umfassendere Folge eine gesellschaftliche Spaltung, die durch das Minarett-Verbot manifestiert wurde. Muslime werden in der Schweiz noch immer als Fremde wahrgenommen, nicht ausschließlich, aber vor allem dann, wenn man ihnen ihr Muslimsein ansehen kann. Die zunehmend negative Einstellung gegenüber Muslimen in der Bevölkerung lässt sich faktisch konkretisieren: Im Jahr 2017 lag der Anteil an Distanzerzeugender Berichterstattung über den Islam und Muslim bei 70% und spiegelt damit auch den Alltagsrassimsus wieder, mit dem sich Musliminnen und Muslime in zunehmendem Maße konfrontiert sehen. Natürlich ist die wachsende Islamophobie multikausal und kann mit nichten einzig auf die Minarett-Initiative zurückgeführt werden. Sie aber fungiert als legitimierendes Element.

Haben Sie eine Botschaft an die Muslime und an andere Gemeinschaften?

Muslime müssen lernen Verantwortung zu übernehmen. Der Kampf gegen die sich weiterausbreitende Islamophobie ist keine Verbandsaufgabe, sondern muss im Verständnis jedes einzelnen Muslims fest verankert sein. Die Bereitschaft, zu widersprechen, auch wenn es persönliche Nachteile mit sich bringt, ist die Essenz eines erfolgreichen Widerstands gegen Diskriminierung.

Wir bedanken uns für das Interview und hoffen, einen Beitrag in der Aufklärungsarbeit geleistet zu haben. Mögen die Menschen dieses gesellschaftliche Problem verstehen und sich gegen eine fremdenfeindliche Politik stellen, die sich an die Muslime richtet, die keineswegs fremd sind, sondern ein großer Bestandteil der Gesellschaft sind.

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