Interview mit Asgard Can Vorsitzender der uigurischen Gemeinde in Europa e.V.

Das uigurische Volk, eine muslimische Ethnie in China, die einer massiven Unterdrückungs-Politik unterliegt und in der Weltöffentlichkeit kaum Beachtung erhält.

Wo die Gründe hierbei liegen, fragten wir Herrn Asgard Can, Mitglied im Weltkongress der Uiguren, welcher aktiv gegen diese Unterdrückung arbeitet.
Herr Can nahm sich Zeit, ein Interview mit uns zu führen und auf unsere Fragen zu antworten.
Wieso die Uiguren unterdrückt werden und medial wenig Beachtung erhalten, erfahren Sie neben anderen interessanten Informationen im folgenden Interview.

Essalamu alaikum Herr Can, vielen Dank, dass wir Sie heute besuchen durften. Wie Sie wissen, haben wir Sie heute besucht, um ein Interview bezüglich der Unterdrückung des uigurischen Volkes seitens des chinesischen Regimes zu führen.
Können Sie sich einmal unseren Lesern vorstellen?

Mein Name ist Asgard Can, ich bin Vorsitzender der uigurischen Gemeinde in Europa e.V. und gleichzeitig bin ich auch Europareferent des Weltkongresses der Uiguren. Ich habe vier Kinder, bin verheiratet und arbeite im Sozialreferat in der Landeshauptstadt München.

Wenn wir in unserer ersten Frage einmal einen Sprung in die Vergangenheit machen dürfen: Wann hat diese Unterdrückung gegenüber den Uiguren angefangen und was ist der hauptsächliche Grund für diese Unterdrückung?

Also das Land wurde 1949 von China besetzt, das ist jetzt 70 Jahre her; unsere Heimat, der ursprüngliche Name lautet Ost-Turkestan. Nachdem sie es besetzt haben, nannten sie das Gebiet Xinjiang. Xinjiang bedeutet ins Deutsche übersetzt ‘Neue Grenze’ bzw. ‘Neu gewonnenes Land’. Also allein der Name sagt, dass das Land nicht ihnen gehört. Außerdem sind wir auch Muslime und unser Land ist reich an Erdgas, an Öl und Bodenschätzen.
Natürlich wollen wir als Muslime dort bleiben und das gefällt China nicht; dass wir auch unsere Identität beibehalten wollen. Wenn wir von Identität sprechen, sei gesagt, dass wir erst einmal Muslime sind, dann gehören wir erst zu den Turkvölkern. Wir haben mit China überhaupt nichts zu tun, also weder sprachlich noch religiös oder kulturell und deshalb will China uns assimilieren; weil wir Widerstand leisten. Widerstand heißt, wir wollen unsere Identität bewahren und weiter als uigurische Muslime leben. Natürlich passt das China nicht. Das Land will uns assimilieren und jegliche Art von Widerstand wird als ‘Widerstand gegen die Staatsgewalt’ bezeichnet. Wir werden willkürlich festgenommen, es gibt keinen Rechtsstaat und diese willkürlichen Festnahmen gehören zum Alltag.

Nach chinesischen Angaben sind wir Uiguren 11.8 Mio., nach unseren Angaben aber über 20 Millionen. Natürlich können wir jetzt nicht beweisen, dass wir über 20 Millionen sind. Als sie uns besetzten waren wir gut vier Millionen. Mit einer normalen Durchschnitts-Geburtenrate hochgerechnet, ergibt sich ein Wert zwischen 20-25 Millionen; das können wir so erklären, aber wie gesagt offiziell 11.8 Millionen.

Danke für diese Antwort. Wir möchten Sie als Vorsitzender der uigurischen Gemeinde in Europa e.V. und als Europareferent des Weltkongresses der Uiguren fragen: Was machen ihre Organisationen und was sind ihre Aufgaben in diesem Bereich?

Der Weltkongress der Uiguren ist eine Dachorganisation. Wir sind in 25 Ländern vertreten, machen Öffentlichkeitsarbeit, wir versuchen also das Problem der Uiguren, der Weltöffentlichkeit bekannt zu machen und die Aufmerksamkeit der Regierungen auf dieses Thema zu lenken. Unsere Arbeit machen wir mit friedlichen und demokratischen Mitteln durch Tagungen, durch Seminare, durch Veranstaltungen, durch Kundgebungen, durch Demonstrationen und mit der Herausgabe von Berichten über unser Land. Auch besuchen wir die Regierungen und auch NGOs, die sich mit Menschenrechten befassen; das ist also unsere Aufklärungsarbeit.

Wir gehen zur nächsten Frage über: Sie wissen bestimmt, dass die Berichterstattung über die Uiguren sehr gering ausfällt, also man weiß kaum, dass dieses Volk seitens der chinesischen Regierung massiv unterdrückt wird. Was denken Sie, warum wird darüber nicht berichtet?

Ja, da haben Sie Recht, das Problem der Uiguren ist in der Weltöffentlichkeit nicht bekannt und es wird nur sehr wenig darüber berichtet; in den letzten Jahren vielleicht mehr als früher, aber trotzdem ist dies nicht das Niveau, das wir uns eigentlich wünschen. Dies hat mehrere Gründe. Ersteinmal ist China eine ‘geschlossene Gesellschaft’ und gibt permanent Zensur, besonders, wenn es um muslimische Uiguren geht. Wir werden sehr streng kontrolliert z.B. haben unsere Gemeindemitglieder seit über drei Jahren gar keinen Kontakt zu ihren Eltern, Geschwistern oder zu ihren Verwandten. Die chinesische Regierung hat extra Sondergruppen gebildet und für diese Arbeit geben sie Milliarden Dollar aus, damit unser Problem nicht bekannt wird. Das
Problem in Ost-Turkestan wollen sie vor der Weltöffentkichkeit verschweigen. Dazu ist China ein sehr starkes Land und eines der Supermächte und deshalb wollen sich andere Länder nicht mit China anlegen. Vielleicht ist ein anderer Grund, dass wir Muslime sind und gleichzeitig zu einem Turkvolk gehören und man deswegen wenig über die Uiguren berichtet.

Wir haben mitbekommen, dass man in diesen Gebieten Arbeitslager errichtet hat und die muslimischen Uiguren hineinsteckt. Daneben gibt es auch noch gewisse andere Projekte wie z.B., dass man fremde Männer in die uigurischen Familien miteinbezieht und sie ausspioniert. Könnten Sie uns etwas darüber erzählen?

Ja, dies ist eine wirklich unmenschliche Vorgehensweise im 21. Jahrhundert; dass es soetwas überhaupt gibt, Internierungslager, also Erziehungslager. Wen wollen sie denn erziehen? Die Leute, die dort sitzen sind Professoren, Lehrkräfte, Ingenieure, Ärzte und Doktoren. Was wollen sie denn bei diesen Personen erziehen? Dies ist eigentlich ein offenes Gefängnis, das Anfang 2017 entstanden ist und mittlerweile haben wir über zwei Millionen Uiguren, die in diesem Straflager sind; und ja wir meinen wirklich Straflager, denn man kann diese mit den Konzentrationslagern aus dem Zweiten Weltkrieg vergleichen. Dort wird Gehirnwäsche betrieben. Von morgens bis abends müssen sie kommunistische Ideen lernen und diese wiederholen, kommunistische Lieder singen und die kommunistischen Führungskräfte loben, für das, was sie den Uiguren angetan haben. Das ist wirklich eine Art Folter und mehrere Personen sind in diesen Internierungslagern ums Leben gekommen, weil sie das nicht ausgehalten haben. China hat diese Lager zwar bis vor fünf Monaten geleugnet, aber es wurde natürlich von Menschenrechtsorganisationen belegt, dass es diese gibt. Außerdem gibt es bei uns viele Mitglieder, deren Eltern und Verwandte in diesen Straflagern sind. Sie haben auch mehrmals als Zeugen ausgesagt, dass sie einige Jahre nichts mehr von ihren Eltern gehört haben und durch Zufall erfahren haben, dass sie in diesen Straflagern sind. Das ist eine unmenschliche und dramatische Sache und man findet einfach keine Worte, wie man das beschreiben soll.
Könnten Sie nochmal Ihre zweite Frage wiederholen?

Es gibt uns bekannte Projekte. Chinesen werden in uigurische Familien eingebracht, um sie zu kontrollieren oder man verheiratet (Zwangsheirat) unsere uigurischen Schwestern mit Chinesen.

Das sind die sogenannten Mischehen. Die werden seit Jahren schon praktiziert. Wenn ein Uigure oder eine Uigurin einen Chinesen oder eine Chinesin heiratet, wird ein Startkapital ausgestellt, man erhält einen Arbeitsplatz oder man wird befördert.
Seit einem Jahr ist es nun so, dass jede uigurische Familie einen chinesischen Mann unterbringen muss. Man muss sich das vorstellen: Ein fremder Mann kommt in die Familie und die Männer der uigurischen Familien sind nicht da, sie sind in den Straflagern. Man kann dies nicht mit Wörtern erklären. Nur, wenn man daran denkt, dass die Geschwister oder die Ehefrau mit einem fremden Mann im gleichen Haus wohnen muss. Natürlich wird dies von der Regierung gefördert. Sie strahlen Fernsehrprogramme aus und zeigen, wie glücklich die Familien leben und natürlich müssen sich die Familien vor den Fotografen und den anderen glücklich zeigen; wer weiß, was sonst mit Ihnen passiert. Das ist eine Art von Assimilation. Sie wollen damit die Reinheit der Uiguren vernichten und kaputt machen. Man stelle sich z.B. in Deutschland vor, dass eine fremde Person in die Familie kommt und ich diese Person unterbringen muss und für ihn koche.
Er gibt natürlich dann auch regelmäßig Berichte über die Familie ab, z.B., was sie machen, wer sie besucht, zu wem hat diese Familie Kontakt, hat diese Familie Kontakt zum Ausland; das ist also eine strenge Kontrolle und vielleicht eine Überwachung, die es in der Welt noch nicht gegeben hat.

Vielen Dank! Wir haben auch erfahren, dass man die Uiguren dazu zwingt, ihre Bärte abzuschneiden und ihre muslimische Identität abzulegen. Daneben auch, dass man die Uiguren zwingt, im Ramadan öffentlich zu essen. Können Sie diesbezüglich etwas ergänzen?

Die chinesische Regierung weiß, dass der Islam ein wichtiger Grund ist, weshalb wir nicht assimiliert worden sind. Deshalb versuchen sie auch den Islam, aus dem Leben der Uiguren zu entfernen z.B. dürfen wir unseren Kindern nicht mehr islamische Namen geben wie Mohammed, Ali, Huseyin, Mustafa, also übliche islamische Namen. Ich kann mein Kind nicht so nennen, wie ich es nennen will. Außerdem können wir religiöse Tage wie Ramadan, das Opferfest oder das Zuckerfest nicht mehr feiern. Das war mal möglich. Man denkt immer, dass China im Vergleich zu anderen Ländern liberaler und demokratischer ist, aber es ist nicht so. Es ist das komplette Gegenteil.

Also vor zehn Jahren war es noch möglich, dass wir unsere Religion offen ausüben und unsere religiösen Tage feiern, aber jetzt dürfen wir sogar unsere Beerdigungen nicht nach islamischen Riten vollziehen. Auch werden die islamischen Gelehrten gezwungen, die Regierung zu loben und die Ideen der chinesischen Regierung weiterzugeben. Es gibt zwar noch Moscheen, aber die Imame sind Personen, die durch das kommunistische Regime erzogen wurden. Sie haben nichts zu sagen, außer das, was ihnen die chinesische Regierung und die kommunistische Partei vorgegeben hat.

Die Uiguren sind wie auch gerade erwähnt hauptsächlich muslimisch geprägt. Wie sieht es hinsichtlich dessen mit den muslimischen Ländern aus? Unterstützen sie ihre uigurischen Geschwister, machen sie öffentliche Kundgebungen gegen dieses Unrecht, erwähnen sie die Lage der Uiguren? Könnten Sie uns etwas darüber erzählen?

Leider ist es so, dass die islamische Welt schweigt. Viele haben überhaupt kein Interesse und andere wissen wahrscheinlich überhaupt nicht, wie die chinesische Regierung mit unserem Volk umgeht. Man muss aber sagen, dass es in den letzten Monaten mehr Bewegung diesbezüglich gab, so z.B in Malaysia und Indonesien. Die Regierungen haben dieses Unrecht angesprochen und das Volk ist auf die Straße gegangen, um gegen dieses Unrecht zu demonstrieren. Allgemein gesagt ist es allerdings sehr bedauerlich, wie sich die islamischen Länder verhalten, zuschauen und stillschweigend alles hinnehmen.

Ich komme nun zu meiner letzten Frage. Wir haben jetzt die Lage des uigurischen Volkes ausführlich besprochen und sicherlich gibt es mehr, worüber man sprechen kann. Ich möchte abschließend fragen, was wir Muslime hier in Deutschland gegen dieses Unrecht tun können, insbesondere wir als IslamicNews. Wir haben darüber bereits mehrfach berichtet. Was können wir tun, damit dieses Unrecht noch bekannter wird?

Man könnte Veranstaltungen organisieren, Seminare geben, Konferenzen veranstalten und permanent vor dem chinesischen Konsulat stehen und Kundgebungen halten. Auch kann man Flugblätter verteilen und viel mehr darüber berichten. Das ist eigentlich alles, was wir von unseren Mitmenschen und unseren muslimischen Geschwistern erwarten, also dass sie uns auf diese Art und Weise unterstützen, es publik machen und die Informationen, die sie haben, verbreiten. Mehr kann man leider nicht machen. Wenn man ein Staat oder eine Regierung wäre, hätte man natürlich mehr Möglichkeiten. Man kann auch Menschenrechtsorganisationen anschreiben, Briefe an die chinesische Botschaft verfassen; das wäre eine große Hilfe.

Herr Can, wir danken Ihnen für das Interview und dass Sie sich Zeit genommen haben. Als IslamicNews werden wir dieses Interview veröffentlichen und so gut es geht verbreiten. Vielen Dank nochmals.

Ich bedanke mich auch ganz herzlich bei Ihnen, dass Sie Interesse an unserem Problem gezeigt haben und es medial verbreiten wollen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

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