
In einem offenen Brief an BBC-Generaldirektor Tim Davie und den Vorstand haben über 100 anonyme BBC-Journalisten sowie mehr als 300 Medienschaffende, Schauspieler und prominente Persönlichkeiten, darunter Miriam Margolyes, Mike Leigh und William Dalrymple, schwere Vorwürfe gegen die Berichterstattung des Senders zum Israel-Palästina-Konflikt erhoben. Sie behaupten, die BBC werde gezwungen, „PR für die israelische Regierung und das Militär“ zu betreiben, und werfen ihr vor, ihre eigenen Standards für Unparteilichkeit zu verletzen.
Der Anfang Juli 2025 veröffentlichte Brief kritisiert die Berichterstattung der BBC über den Gaza-Konflikt als einseitig. Die Unterzeichner bemängeln, dass der Sender die Realität vor Ort – gestützt auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen, UN-Mitarbeitern und Journalisten – nicht angemessen widerspiegelt. Insbesondere werfen sie der BBC vor, palästinensische Perspektiven zu unterrepräsentieren und historische Kontexte auszublenden. Sie zitieren einen Bericht des Centre for Media Monitoring aus dem Jahr 2024, der zeigt, dass die BBC israelischen Todesfällen 33-fach mehr Aufmerksamkeit pro Opfer widmete und israelische Stimmen überproportional häufig zu Wort kommen ließ.
Ein zentraler Kritikpunkt ist die Entscheidung der BBC, den selbst in Auftrag gegebenen Dokumentarfilm „Gaza: Doctors Under Attack“ (auch „Gaza: Medics Under Fire“) nicht auszustrahlen. Der Film, der die Lage von Medizinern in Gaza beleuchtet, wurde von der BBC wegen „Befürchtungen mangelnder Unparteilichkeit” zurückgezogen, obwohl er interne redaktionelle Prüfungen bestanden hatte. Aussagen der Journalistin Ramita Navai, die Israel als „Schurkenstaat” bezeichnete, wurden als problematisch eingestuft. Der Dokumentarfilm wurde später von Channel 4 und Zeteo übernommen. Die Unterzeichner bezeichnen diese Entscheidung als politisch motiviert.
Ein weiterer Vorwurf richtet sich gegen BBC-Vorstandsmitglied Sir Robbie Gibb, der dem Editorial Standards Committee angehört. Gibb war Teil eines Konsortiums, das 2020 die „Jewish Chronicle“ übernahm. In dem Brief wird die Zeitung als Medium bezeichnet, das „anti-palästinensische und oft rassistische Inhalte“ veröffentlicht. Die Unterzeichner sehen hierin einen Interessenkonflikt, durch den die Unparteilichkeit der BBC untergraben werde. Sie fordern Gibbs Rücktritt, da seine Rolle „unhaltbar“ sei. Die BBC betont jedoch, dass weder Gibb noch das Editorial Standards Committee direkt in die Entscheidung über den Dokumentarfilm involviert waren.
Die Unterzeichner kritisieren zudem, dass BBC-Mitarbeitende zensiert würden, wenn sie kritische Ansichten über Israel äußern, etwa durch das Teilen kritischer Artikel in den sozialen Medien. Gleichzeitig werde Gibb trotz seiner Verbindungen zur „Jewish Chronicle“ nicht zur Rechenschaft gezogen. Diese „Doppelmoral“ wird als Beweis für eine institutionelle Voreingenommenheit gewertet. Vergleiche zur Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt zeigen laut den Kritikern, dass die BBC bei Gaza zurückhaltender agiert – möglicherweise aus Angst vor pro-israelischen Lobbygruppen.
Die BBC verteidigt ihre Berichterstattung, verweist auf preisgekrönte Programme wie „Life and Death in Gaza“ und betont ihre Verpflichtung zur Unparteilichkeit. Ein Sprecher erklärte, „robuste Diskussionen“ über journalistische Standards seien Teil des redaktionellen Prozesses und sollten intern geführt werden. Dennoch hat der Brief eine breite Debatte ausgelöst. Auf der Plattform X wird die BBC von Nutzern wie @AdameMedia und @ShaykhSulaiman scharf kritisiert. Sie sprechen von einem der „größten Skandale westlicher Medien“.
Die Vorwürfe der BBC-Mitarbeitenden, die den Brief unterzeichnet haben, unterstreichen eine tiefgreifende Vertrauenskrise in die Unparteilichkeit des Senders. Zentrale Streitpunkte sind die Entscheidung, den Gaza-Dokumentarfilm nicht auszustrahlen, und die Rolle von Robbie Gibb. Während die BBC ihre redaktionelle Integrität verteidigt, macht die öffentliche Debatte deutlich, wie stark der Israel-Palästina-Konflikt die Medien polarisiert. Weitere Entwicklungen in dieser Angelegenheit könnten die Diskussion über Medienethik und Verantwortung weiter anheizen.
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