Arakan – das heutige Rakhine im Westen Myanmars – ist heute weltweit als Schauplatz einer der schwersten humanitären Krisen unserer Zeit bekannt. Hunderttausende Rohingya, eine überwiegend muslimische Bevölkerungsgruppe, wurden vertrieben, entrechtet oder getötet. Doch die Geschichte der Muslime in Arakan beginnt lange vor der Entstehung moderner Staaten oder ethnischer Kategorien – und sie beginnt erstaunlich friedlich.
Ein Schiffbruch, der Geschichte schrieb (788–810 n. Chr.)
Nach historischen Chroniken erlitten um 788 n. Chr. arabische Seeleute Schiffbruch vor der Küste der Insel Ramree (Yanbye Island). Diese Händler befuhren damals die Seewege zwischen dem Persischen Golf, Indien und Bengalen.
Der lokale König Mahataing Sandaya (Regierungszeit 788–810) gewährte den Überlebenden nicht nur Schutz, sondern auch Land für eine dauerhafte Siedlung. Die arabischen Seefahrer ließen sich nieder, heirateten lokale Frauen und gründeten eine kleine Gemeinschaft – der erste dokumentierte muslimische Kern in Arakan.
Eine nennenswerte burmesische Präsenz gab es zu dieser Zeit in Arakan noch nicht. Diese setzte erst im 10. Jahrhundert ein.
Arakan war damit – anders als oft behauptet – bereits vor dem Eintreffen burmesischer Bevölkerungsgruppen ein Raum, in dem Araber, Bengalen, Hindus, Buddhisten und Muslime aufeinandertreffen und miteinander leben konnten.
Über die folgenden Jahrhunderte machten Händler aus dem Nahen Osten und Indien regelmäßig im Hafen von Wesali Halt. Ihre Religion verbreitete sich langsam:
durch Heiraten, durch Konversionen, durch wirtschaftliche Netzwerke und durch den kulturellen Austausch, der in einem internationalen Handelsraum fast zwangsläufig entstand.
Der Islam in Arakan wuchs so schrittweise, friedlich und organisch.
Heute: Eine Gemeinschaft unterdrückt und entrechtet
Diese lange Geschichte steht heute in scharfem Kontrast zur Realität:
Die Rohingya, einst ein natürlicher Teil der Geschichte Arakans, gelten im heutigen Myanmar als „Fremde“ – trotz über 1.200 Jahren muslimischer Präsenz in der Region.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden sie systematisch:
– ihrer Staatsbürgerschaft beraubt,
– vertrieben,
– Opfer von Massengewalt,
– in Lagern festgehalten oder zur Flucht gezwungen.
Die internationale Gemeinschaft stuft die Verfolgung der Rohingya inzwischen als ethnische Säuberung, teils sogar als Völkermord, ein.
Ein verdrängtes Erbe
Dass Arakan einst ein offener, pluraler Raum war, in dem arabische Schiffbrüchige willkommen geheißen wurden und der Islam friedlich Fuß fasste, gerät heute zunehmend in Vergessenheit.
Dabei zeigt die Geschichte deutlich:
Die muslimische Präsenz in Arakan ist kein modernes Phänomen und keineswegs ein „Fremdkörper“, sondern ein integraler Bestandteil der regionalen Identität, der über Jahrhunderte gewachsen ist.
Fazit
Die Geschichte des Islam in Arakan begann nicht mit Konflikt, sondern mit Gastfreundschaft. Und sie verdient es, erinnert zu werden – gerade in einer Zeit, in der die Nachkommen jener frühesten Siedler, die Rohingya, zu den am stärksten verfolgten Minderheiten der Welt gehören.
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