
In einer beispiellosen Aktion wurden am Samstag, dem 5. Juli, im Londoner Parliament Square 29 Personen festgenommen, darunter eine 83-jährige anglikanische Priesterin im Ruhestand. Die Gruppe protestierte still gegen die Einstufung der Aktivistengruppe „Palestine Action” als terroristische Organisation durch die britische Regierung. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift „Ich lehne Völkermord ab, ich unterstütze Palestine Action” und hatten die Behörden im Vorfeld über die friedliche Natur ihrer Kundgebung informiert.
Die britische Regierung unter Innenministerin Yvette Cooper hatte am 23. Juni 2025 angekündigt, Palestine Action gemäß dem „Terrorism Act 2000” als terroristische Organisation einzustufen. Diese Entscheidung wurde am 2. Juli vom Unterhaus (385 zu 26 Stimmen) und am 3. Juli vom Oberhaus ohne Abstimmung gebilligt. Seit Mitternacht des 5. Juli ist die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung von Palestine Action ein Straftatbestand, der mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden kann. Auslöser war ein Vorfall am 20. Juni, bei dem Aktivisten der Gruppe zwei Militärflugzeuge auf dem RAF-Stützpunkt Brize Norton mit Farbe besprühten und einen Schaden in Höhe von etwa sieben Millionen Pfund verursachten.
Die Demonstration, organisiert von der Kampagnengruppe „Defend Our Juries”, fand in der Nähe der Mahatma-Gandhi-Statue statt. Unter den Festgenommenen war die 83-jährige Reverend Sue Parfitt aus Bristol. Sie bezeichnete die Verhaftungen als „völligen Unsinn“ und einen Angriff auf die Bürgerrechte. „Das ist ein Verlust an zivilen Freiheiten in diesem Land“, sagte sie gegenüber Novara Media, während sie abgeführt wurde.
Die Einstufung von Palestine Action als terroristische Organisation hat heftige Kritik ausgelöst. Menschenrechtsorganisationen, UN-Experten und Hunderte Anwälte bezeichnen diese Maßnahme als „drakonisch“ und warnen vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit. Der Labour-Abgeordnete Clive Lewis sprach von einer „Unterdrückung von Dissens“. Die Festnahme einer älteren Geistlichen, die ein Plakat hielt, wird als Symbol für den schwindenden Raum für Proteste gewertet. Passanten vor Ort äußerten ihre Empörung. Einige bezeichneten die Polizei sogar als „Marionetten des zionistischen Staates“.
Palestine Action ist für seine direkten, gewaltfreien Aktionen gegen Unternehmen bekannt, die mit Israels Rüstungsindustrie verbunden sind, insbesondere gegen Elbit Systems. Die Gruppe wirft Großbritannien vor, durch Waffenexporte an Israel mitschuldig an den militärischen Operationen in Gaza zu sein. Der Hungerkrieg Israels in Gaza hat zu über 59.000 Todesopfern geführt.
Die Mitbegründerin von Palestine Action, Huda Ammori, versuchte die Proskription gerichtlich anzufechten, scheiterte jedoch am 4. Juli mit einem Eilantrag vor dem High Court. Eine Anhörung für eine mögliche gerichtliche Überprüfung war für den 21. Juli 2025 angesetzt. Kritiker sehen in der Einstufung einen gefährlichen Präzedenzfall, da es das erste Mal ist, dass eine gewaltfreie Protestgruppe im Vereinigten Königreich als terroristisch klassifiziert wurde.
Die Verhaftungen, insbesondere die einer 83-jährigen Priesterin, haben eine Debatte über das Verhältnis von Sicherheit und Meinungsfreiheit entfacht. Der Polizeichef der Metropolitan Police, Sir Mark Rowley, verteidigte die Festnahmen und betonte, dass das Gesetz „kein Alterslimit kennt”. Auf der Plattform X wurde die Aktion als „verrückt” und als Zeichen für den Verfall der Demokratie kritisiert. In den folgenden Wochen kam es zu weiteren Protesten, bei denen über 100 Menschen in Großbritannien festgenommen wurden.
Die Ereignisse werfen ein Schlaglicht auf die wachsenden Spannungen zwischen staatlicher Kontrolle und dem Recht auf Protest in Großbritannien. Die Regierung rechtfertigt die Maßnahmen mit der Notwendigkeit, Straftaten zu verhindern. Kritiker sehen darin jedoch einen Angriff auf grundlegende demokratische Rechte.
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