Hunger als Waffe: Wie Israel Gaza mit „Hilfslieferungen“ kontrollieren will

Nach der verheerenden Hungersnot in Gaza haben die USA ein neues System eingeführt, bei dem private Unternehmen Hilfslieferungen koordinieren. Der amerikanisch-israelische Plan umgeht die UNO und setzt private „Wohltätigkeitsorganisationen“ und Sicherheitsfirmen ein, um 1,2 Millionen Menschen – etwa 60 Prozent der Bevölkerung Gazas – mit Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung zu versorgen. Kritiker warnen, der Plan sei ein Vorwand für Massenvertreibungen und trage Züge einer ethnischen Säuberung, da Palästinenser gezwungen würden, ihre Häuser im Norden zu verlassen und in militärisch kontrollierte Gebiete im Süden nahe der ägyptischen Grenze zu ziehen.

„Der Plan ist ein gefährlicher Präzedenzfall“, sagt Ahmed Bayram vom Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC). Er umgehe das UN-System mit seinen 400 Zugangspunkten, das vor der israelischen Blockade flächendeckend Hilfe verteilte, und könnte, so Kritiker, die ethnische Säuberung Gazas gezielt fördern. Ethnische Säuberung ist völkerrechtlich definiert als die absichtliche Vertreibung einer ethnischen oder religiösen Gruppe, um die demographische Zusammensetzung eines Gebietes zu verändern. Im Zusammenhang mit Gaza sehen Kritiker den Plan als Teil einer Strategie, die die Lebensgrundlage der palästinensischen Bevölkerung durch eine Kombination aus totaler Blockade, militärischen Operationen, Zerstörung der Infrastruktur und gezielter Lenkung von Hilfslieferungen untergräbt. Die UN berichtet, dass 90% der Bevölkerung Gazas seit Beginn des Krieges mehrmals vertrieben wurden, oft unter lebensbedrohlichen Bedingungen. Der Plan zwingt die Bevölkerung, weite Strecken zurückzulegen, um Hilfsgüter in einigen wenigen von Israel kontrollierten Verteilungszentren zu erhalten, was die Rückkehr in den Norden erschwert und langfristig zur dauerhaften Entvölkerung bestimmter Gebiete führen könnte.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass humanitäre Hilfe dazu benutzt wird, Bevölkerungsbewegungen zu erzwingen“, sagt Jonathan Crickx, UNICEF-Kommunikationschef für Palästina. Die Konzentration der Hilfszentren im Süden verstärke die Abhängigkeit der Palästinenser von israelischen Kontrollen und schränke ihre Bewegungsfreiheit ein. Kritiker wie Bushra Khalidi von Oxfam sprechen von einem „erzwungenen Transfer“, der gegen das Völkerrecht verstoße, weil er die palästinensische Bevölkerung systematisch aus ihren angestammten Gebieten vertreibe, möglicherweise mit dem Ziel, sie dauerhaft aus Gaza zu verdrängen. Die Vereinten Nationen und das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bezeichnen den Plan als „praktisch undurchführbar“ und unvereinbar mit humanitären Prinzipien, da er Israels Verpflichtungen als Besatzungsmacht, freien und gleichberechtigten Zugang zu Hilfe zu gewährleisten, missachtet.

Hilfsorganisationen lehnen die Zusammenarbeit mit dem Plan entschieden ab, da er die Hilfe politisiere und militarisiere. Sie argumentieren, dass die Kontrolle der Verteilungszentren durch private Sicherheitsfirmen und das israelische Militär die Hilfe zu einem Instrument der Besatzung mache, das Hunger und Vertreibung als Druckmittel einsetzt. Russland, China und Großbritannien fordern Israel auf, die Blockade aufzuheben und ein unabhängiges Hilfssystem zuzulassen. Ein ähnlicher Versuch im Februar 2024, bei dem Israel über private Auftragnehmer Mehl lieferte, endete im „Massaker von Metro“, bei dem israelische Streitkräfte das Feuer auf Hilfssuchende eröffneten und 110 Menschen getötet wurden.

„Jeder Versuch, Hilfe auf diskriminierende Weise zu verteilen, widerspricht humanitären Werten“, sagt Khalid Elsheikh von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Er betont, dass ein Hilfssystem neutral, transparent und unabhängig sein muss, um Leiden zu lindern und nicht zu verschlimmern. Es bleibt zu befürchten, dass der Plan nicht nur die humanitäre Krise verschärft, sondern auch eine Politik der ethnischen Säuberung unterstützt, indem er die palästinensische Bevölkerung systematisch entwurzelt und ihre Existenz in Gaza gefährdet.

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