
Die Universität Bremen hat einen geplanten Vortrag der jüdischen Psychoanalytikerin Iris Hefets zum Thema „Schweigen und Schuld – Psychologische Mechanismen im Umgang mit dem Genozid in Gaza” untersagt. Die Entscheidung von Rektorin Prof. Dr. Jutta Günther basiert auf der Einstufung des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, dessen Vorstandsmitglied Hefets ist, als „gesichert extremistisch“ im Verfassungsschutzbericht 2024.
Die Universität begründete das Verbot damit, dass die Veranstaltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen könnte. Der Vortrag fand dennoch am 28. Juni 2025 im Zion-Gemeindezentrum in Bremen statt und wurde von den Teilnehmenden als bewegend beschrieben.
Die Veranstaltung wurde von studentischen Gruppen wie dem AStA, der linken Gruppe „Kralle“, „Uni(te) for Pali“ und „Seeds for Palestine“ organisiert. Der Verfassungsschutz wirft der „Jüdischen Stimme“ „israelbezogenen Antisemitismus“ vor, insbesondere wegen der Verwendung des Begriffs „Genozid“ für die Lage in Gaza und kritischer Vergleiche der israelischen Politik mit dem Nationalsozialismus. Solche Aussagen könnten gemäß der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) als antisemitisch gewertet werden. Hefets, eine in Deutschland lebende Israelin, ist bekannt für ihre scharfe Kritik an der israelischen Regierung und bezeichnet deren Politik in Gaza als „Genozid“. Seit Oktober 2023 wurde sie mehrfach bei Pro-Palästina-Demonstrationen in Berlin festgenommen, unter anderem wegen Plakaten mit der Aufschrift „Als Jüdin und Israelin: Stoppt den Genozid in Gaza“.
Das Verbot hat eine breite Debatte über Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ausgelöst. Kritiker werfen der Universität vor, die VS-Einstufung als Vorwand zu nutzen, um Kritik an Israel zu unterdrücken. Die Literaturwissenschaftlerin Sabine Broeck bezeichnete die Entscheidung als „töricht“ und warf der Rektorin „vorauseilenden Gehorsam“ vor. Der Verein „Jüdische Stimme“ betrachtet die Einstufung als politische Verfolgung, um jüdischen Dissens gegen die deutsche Staatsräson zu unterbinden. Detlef Griesche von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Bremen kritisierte das Verbot als Widerspruch zu den Grundsätzen der Universität. Auch der Europarat stellte fest, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland bei Gaza-bezogenen Protesten eingeschränkt ist.
Auf der Plattform X wurde das Verbot scharf kritisiert. In den Kommentaren wurde es als Angriff auf die Meinungsfreiheit und als Diskriminierung einer jüdischen Aktivistin bezeichnet. An der Universität wurde ein Protestcamp („Handala-Camp“) organisiert, um gegen das Verbot zu demonstrieren. Die Universität betonte, die Versammlungsfreiheit zu respektieren, solange keine strafbaren Inhalte verbreitet werden. Gleichzeitig kritisierte das Bündnis gegen Antisemitismus Bremen die Universität dafür, pro-palästinensische Proteste zuzulassen, die es als antisemitisch wertet.
Die Berliner Polizei erklärte, die Verwendung des Begriffs „Genozid“ in Bezug auf Gaza sei nicht automatisch strafbar, sondern kontextabhängig. Dennoch sind pro-palästinensische Proteste in Deutschland seit Oktober 2023 verstärkt Repressionen ausgesetzt, einschließlich Festnahmen und Veranstaltungsverboten. Die VS-Einstufung der „Jüdischen Stimme” wird von Kritikern als Mittel gesehen, um kritische Stimmen, insbesondere von jüdischen Aktivisten, zu delegitimieren.
Das Verbot des Vortrags von Iris Hefets an der Universität Bremen hat die Spannungen um Meinungsfreiheit, Israelkritik und Antisemitismusvorwürfe in Deutschland weiter verschärft. Während die Universität ihre Entscheidung mit Gründen des Verfassungsschutzes verteidigt, sehen Kritiker darin einen Angriff auf die freie Debatte. Die anschließende Veranstaltung im Zion-Gemeindezentrum zeigt, dass die Diskussion sowohl auf dem Campus als auch in der Öffentlichkeit weitergeht.
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