Rezension: Atatürk: Visionär einer modernen Türkei

Gastbeitrag von Mohammed Isa

Mit seiner wissenschaftlichen Untersuchung zu den ideologischen Grundlagen, die das Denken, die Geisteshaltung und Ideen von Mustafa Kemal geprägt haben ist Prof. Hanioglu ein wichtiges Buch gelungen das die Wissenschaft auf Jahrzehnte prägen kann.

Das Buch beansprucht keinesfalls eine Biographie darzustellen. Vielmehr will er die historische Person in die geistesgeschichtliche Entwicklung einbetten.

Das Buch beginnt mit der Darstellung von „Saloniki“ und der Umgebung dieser kosmopolitischen Stadt in der Mustafa Kemal geboren wurde und zugleich die Geburtsstadt unterschiedlicher Nationalismen des Balkan begannen.

Mustafa Kemals militärische Laufbahn begann in einer reform-orientierten Zeit. Deutsche Militärberater prägten die Modernisierung der osmanischen Armee. Ein wichtiges Buch, dass die neuen und modern ausgebildeten Offiziere des Reichs beeinflusste schrieb Colmar von der Goltz. Sein Werk „Das Volk in Waffen“ prägte den Kemalismus entscheidend und begründete die Machtstellung des türkischen Militärs in der Republik (Ausdruck dessen sind z.B. die Militärputsche). Während Mustafa Kemal die Rolle des Militärs begrenzte versuchten seine Jünger seine Aussagen und Taten zu einem ideologischen Gerüst zu formen und als Hüter der Republik die Ideologie des Kemalismus und seine Reformen zu schützen.

Ein weiteres wichtiges Element in seiner ideologischen Ausrichtung spielte der deutsche „Vulgärmaterialismus“. Diese anti-religiöse und extrem säkulare Ideologie sollte eine der „ideologischen Stützpfeiler des modernen türkischen Nationalstaats bilden“ (S. 68).

Hanioglu fährt damit fort die Offizierslaufbahn bis inklusive zum Ende des „türkischen Unabhängigkeitskriegs“ aufzuzeigen. Er beschreibt die manipulative Rhetorik Mustafa Kemals während des „Unabhängigkeitskriegs“ durch islamische und kommunistische Begrifflichkeiten. Den Islam instrumentalisierte er vorallem nach innen, da die Bevölkerung traditionell religiös war und unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen angehörte. Nach außen half die Rhetorik bei der Unterstützung durch die indische Khilafat-Bewegung primär durch finanzielle Mittel. Genauso wie er den Islam instrumentalisierte wenn es von Nöten war bediente er sich einer sozialistischen Rhetorik um sich die Unterstützung der Bolschewiki zu versichern.
 
In den letzten Kapiteln beschreibt der Autor die Gründung der säkularen Republik und seinen ideologischen Rahmen. Er beschreibt seine Politik der Vernichtung des Islam und seiner Symbolik, die Implementierung eines republikanisch-nationalistischen Kults als Ersatz-Religion und die radikale Politik der Verwestlichung.

Atatürk: Visionär einer modernen Türkei
von M. Sükrü Hanioglu (Autor), Tobias Gabel (Übersetzer)
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Theiss, Konrad (1. September 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3806231113

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