
Am 16. September 1931 wurde Umar Mukhtar, der legendäre Anführer des islamischen Widerstands in Libyen, von der italienischen Kolonialmacht hingerichtet. 94 Jahre später gedenken wir seiner unerschütterlichen Entschlossenheit, seines Mutes und seiner unvergleichlichen Persönlichkeit, die ihn zu einem Symbol des Widerstands gegen Kolonialismus und Unterdrückung gemacht haben.
Umar Mukhtar wurde um 1860 in der Region Barqa (Cyrenaika) im Osten Libyens, vermutlich im Dorf Zanzur, geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verlor früh seine Eltern. Nach seiner Adoption durch eine einflussreiche Familie der Senussi-Bewegung, einer religiösen und politischen Organisation, erhielt er eine fundierte islamische Erziehung. Mukhtar studierte den Koran und die islamischen Wissenschaften an der religiösen Schule in Dschaghbub, dem Zentrum der Senussi-Bewegung. Diese Ausbildung prägte seinen Charakter und seine spirituelle Überzeugung, die später seine Führungsrolle im Widerstand stärken sollten.
Als Italien im Jahr 1911 Libyen invadierte, um das Osmanische Reich zu verdrängen und das Land als Kolonie zu unterwerfen, organisierte Umar Mukhtar den Widerstand in der Region Cyrenaika. Mit bemerkenswerter strategischer Klugheit und unermüdlichem Einsatz führte er die Senussi-Kämpfer in einem Guerillakrieg gegen die weit überlegenen italienischen Streitkräfte. Besonders in den Jahren nach dem Italo-Türkischen Krieg (1911–1912) konnten Mukhtars Truppen beeindruckende Erfolge verzeichnen, beispielsweise in der Schlacht von Tripolitanien im Jahr 1911, in der sie den Italienern empfindliche Verluste zufügten. Mukhtar, der auch als „Löwe der Wüste“ bekannt war, nutzte seine Kenntnisse des unwegsamen Geländes und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung, um die Kolonialmacht zu zermürben.
Die Italiener erkannten bald, dass Mukhtar der Schlüssel zum libyschen Widerstand war. Unter der Führung von General Rodolfo Graziani setzten sie brutale Methoden ein, um die Bevölkerung zu unterwerfen. Dazu gehörten Massenrepressionen, die Zerstörung von Dörfern und die Internierung von Zivilisten in Konzentrationslagern. Trotz dieser Grausamkeiten blieb Mukhtar standhaft. Am 11. September 1931 geriet er nach einem Gefecht in der Nähe von Slonta in Gefangenschaft, als sein Pferd verwundet wurde. Vor einem italienischen Militärgericht in Bengasi wurde er zum Tode verurteilt.
Den Italienern war klar, dass Mukhtars Einfluss weit über seine militärische Führung hinausging. Sie boten ihm an, sein Leben zu verschonen, wenn er seine Anhänger dazu auffordern würde, die Waffen niederzulegen und den Widerstand einzustellen. Mukhtar, der 20 Jahre lang unermüdlich gegen die Kolonialmacht gekämpft hatte, antwortete mit Worten, die in die Geschichte eingingen:
„Mein Zeigefinger, der in jedem Gebet bezeugt, dass es keinen Gott außer Allah gibt und dass Muhammad der Gesandte Gottes ist, kann kein Wort der Lüge schreiben. Wir werden nicht aufgeben, wir werden siegen oder sterben.“
Am 16. September 1931 wurde Umar Mukhtar in der Stadt Solluk öffentlich hingerichtet, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Doch seine Standhaftigkeit und sein Märtyrertod hatten den gegenteiligen Effekt: Mukhtar wurde zu einem unsterblichen Symbol des Widerstands, das die libysche Bevölkerung bis heute inspiriert.
Zwanzig Jahre nach seinem Tod, im Dezember 1951, erlangte Libyen unter der Führung von König Idris I., einem Mitglied der Senussi-Bewegung, die Unabhängigkeit von Italien. Mukhtars Opfer und sein unermüdlicher Kampf hatten entscheidend zur Mobilisierung des libyschen Volkes beigetragen. Sein Vermächtnis lebt in Libyen und darüber hinaus weiter: Mukhtar wird nicht nur als Nationalheld gefeiert, sondern gilt auch als eine der beispielhaftesten islamischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, die für Freiheit, Gerechtigkeit und den Glauben standen.
Sein Leben wurde 1980 in dem Film „Der Löwe der Wüste” mit Anthony Quinn in der Hauptrolle verewigt, der Mukhtars Kampf einem internationalen Publikum näherbrachte. Bis heute ist sein Name in Libyen ein Synonym für Widerstand und Würde und sein Vermächtnis inspiriert Menschen auf der ganzen Welt, die gegen Unterdrückung kämpfen.
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