Waffenlieferungen der VAE an die RSF
Neue Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen und UN-Experten heizen die Diskussion über die Rolle der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im sudanesischen Bürgerkrieg weiter an. Während die VAE jede militärische Unterstützung der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) bestreiten, deuten zuletzt veröffentlichte Analysen auf Waffenlieferungen hin. Hinter dem Konflikt stehen jedoch nicht nur geopolitische Spannungen, sondern weitreichende wirtschaftliche Interessen, die den Sudan für Abu Dhabi strategisch besonders wertvoll machen.
Indizien für Waffenlieferungen – VAE dementieren weiterhin
Forensische Untersuchungen von Amnesty International und Berichte eines UN-Expertengremiums zeigen Hinweise auf moderne Waffen chinesischer Herkunft, die in Gebieten unter RSF-Kontrolle gefunden wurden. Einige dieser Systeme – darunter gelenkte Bomben und Artilleriegeschütze – sollen laut den Untersuchungen zuvor über die VAE exportiert worden sein. Die Emirate weisen diese Vorwürfe als „haltlos“ zurück und betonen, eine neutrale Position im Sudan einzunehmen.
Da jedoch weder direkte Lieferdokumente noch öffentlich zugängliche Verträge vorliegen, sprechen Beobachter eher von einem zunehmenden „Indizienmuster“ als von abschließend bewiesenen Lieferketten. Die Debatte fällt in eine Phase, in der westliche Regierungen und die UN verstärkt den internationalen Waffenfluss in den Sudan untersuchen.
Gold: Der wichtigste wirtschaftliche Hebel
Der Sudan zählt zu den größten Goldproduzenten Afrikas – ein Faktor, der für die VAE seit Jahren zentral ist. Offiziell importierte das Land 2022 sudanesisches Gold im Wert von rund 2,29 Milliarden US-Dollar. Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass der tatsächliche Wert durch Schmuggel bei bis zu 13,4 Milliarden US-Dollar liegen könnte.
Ein Großteil der Goldminen liegt in Regionen, die von der RSF kontrolliert werden. Unternehmen aus den VAE – darunter auch Beteiligungen wie Emirati Resources – sollen in mehreren Minen aktiv sein oder mit lokalen Partnern kooperieren. Der Goldhandel läuft häufig über Dubai, welches zu den globalen Umschlagplätzen für Edelmetalle zählt. Analysten sehen darin einen zentralen Grund, warum die RSF für die wirtschaftlichen Interessen Abu Dhabis als strategischer Akteur gilt.
Agrarland als Lebensversicherung: Der Sudan als „Brotkorb“ für die VAE
Die VAE importieren laut Schätzungen rund 90 Prozent ihrer Nahrungsmittel. Angesichts globaler Preisschwankungen und Abhängigkeiten von Frachtwegen gilt der Sudan als eines der wichtigsten Länder für langfristige Ernährungssicherheit.
Emiratische Konzerne wie die International Holding Company (IHC) haben bereits mehr als 50.000 Hektar Agrarflächen in Sudan erworben oder gepachtet – mit Expansionsplänen von weiteren 162.000 Hektar. Dort sollen Tierfutter, Getreide und Vieh für den Export in die Golfregion produziert werden.
In mehreren Regionen fungiert die RSF als bewaffneter „Schutz“ für diese landwirtschaftlichen Investitionen. Für Beobachter fügt sich dies in ein Muster, bei dem wirtschaftliche Interessen mit militärischen Allianzen verschmelzen.
Wettlauf um den Zugang zum Roten Meer
Ein weiteres strategisches Ziel der VAE ist der Einfluss auf sudanesische Häfen am Roten Meer – einer der wichtigsten globalen Handelsrouten in unmittelbarer Nähe des Suezkanals.
Unternehmen wie Abu Dhabi Ports und Dubai Ports World haben mit Khartum über große Infrastrukturprojekte verhandelt, darunter ein 6-Milliarden-US-Dollar-Vorhaben für den Bau des Abu-Amama-Hafenkomplexes. Dieser soll eine Freihandelszone, Logistikinfrastruktur und Verkehrswege umfassen, die bis zu landwirtschaftlichen Investitionsgebieten im Landesinneren reichen.
Analysten bewerten diese Hafenprojekte als Teil einer langfristigen Strategie der VAE, Handelsrouten über das Rote Meer zu dominieren und regionale Logistikzentren zu kontrollieren.
Finanzsystem unter emiratischem Einfluss
Auch im sudanesischen Finanzsektor haben die VAE in den vergangenen Jahren Einfluss gewonnen. Die Dubai Islamic Bank hält rund 60 Prozent der Bank of Khartoum, der größten Bank des Landes. Emiratische Geldhäuser spielen eine zentrale Rolle bei Goldtransaktionen und internationalen Zahlungen.
Insgesamt werden 23 Prozent der sudanesischen Bankvermögen von Instituten kontrolliert, die mit den Emiraten verbunden sind. Experten sehen darin einen Hebel, der Abu Dhabi langfristigen wirtschaftlichen Einfluss sichert – unabhängig von politischen Entwicklungen in Khartum.
Geopolitische Motive: Kampf gegen Islamismus und regionaler Machtwettbewerb
Hinter dem Konflikt stehen jedoch nicht nur wirtschaftliche Interessen. Die VAE verfolgen seit dem Arabischen Frühling eine harte Linie gegen islamistische Gruppen wie die Muslimbruderschaft. In Sudan gelten Teile der Sudanese Armed Forces (SAF) als islamistisch beeinflusst.
Die Unterstützung der RSF würde demnach in eine breitere sicherheitspolitische Strategie passen, mit der die VAE verhindern wollen, dass ideologische Gegner in der Region Macht gewinnen.
Zudem wird der Sudan zunehmend als Schauplatz eines Proxy-Konflikts zwischen den VAE und Saudi-Arabien gesehen, das die SAF unterstützt. Beide Staaten konkurrieren um Einfluss am Roten Meer und in der Sahel-Region.
Außenpolitisch stehen die VAE aufgrund ihres Engagements in mehreren Konfliktzonen – darunter Libyen, Jemen und Somalia – bereits länger in der Kritik. US-Sanktionen und laufende UN-Untersuchungen erzeugen zusätzlichen Druck, könnten aber bislang kaum die strategische Linie Abu Dhabis verändern.
Ausblick
Trotz wachsender internationaler Kritik bleibt der Sudan für die VAE ein Land von hoher strategischer Bedeutung – wirtschaftlich, geopolitisch und sicherheitspolitisch. Ob sich die mutmaßlichen Waffenlieferungen an die RSF bestätigen oder nicht, wird dabei nur ein Teil einer viel komplexeren Beziehung sein.
Solange der Zugang zu Gold, Agrarflächen, Häfen und Finanzstrukturen für die Emirate wirtschaftlich und politisch lohnend bleibt, dürfte ihr Engagement im Sudan weitergehen – auch wenn es künftig stärker unter internationaler Beobachtung stehen wird.
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