Einbürgerung wegen Handschlag verweigert – Gerichtsurteil ohne gesetzliche Grundlage?

Ein libanesischer Oberarzt (40), der seit 2002 in Deutschland lebte und sein Medizinstudium auch in Deutschland absolvierte, erreichte bei seinem Einbürgerungstest die maximale Punktezahl. Er erfüllte alle Kriterien bezüglich der Sprache, Gesellschaft, Kultur und Politik in der Bundesrepublik Deutschland, um fortan als deutscher Staatsbürger weiterleben zu können. Offensichtlich reichte Integration dafür aber nicht aus. Nach Einsicht der bestmöglichen Integration des Mannes in dieses Land verweigerte die zuständige Sachbearbeiterin im Jahr 2015 nämlich die versprochene Übergabe der Einbürgerungsurkunde. Begründet hat sie ihr Verhalten damit, dass der Mann bei der Übergabe ihr die Hand nicht schütteln wollte – obwohl dieser versucht hatte, zu erklären, dass er seiner Frau versprochen hatte, „keiner anderen Frau die Hand zu geben.“ Er erwähnte dabei auch, dass sie eine Muslima und deutscher Nationalität mit syrischer Abstammung wäre. Auch wenn er seine Entscheidung nicht direkt auf seine eigene religiöse Überzeugung zurückführte, blieben seine Versuche auf Verständigung unbeantwortet. Die Sachbearbeiterin ignorierte seine vorige Unterschrift zur Verfassungstreue, die bereits erfolgte Absage zu jeglicher Form des Extremismus und den gesamten restlichen makellosen Verlauf seiner Einbürgerung bis zur Übergabe.

Dem Mann blieb nichts anderes übrig, als vor Gericht zu klagen. In der Hoffnung, dass ihm mehr Gerechtigkeit widerfahren würde als beim Landratsamt, klagte er zunächst vor dem Stuttgarter Verwaltungsgerichtshof (VGH). Vergeblich. Daraufhin ging es mit dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg weiter. Das Ergebnis wieder eine bittere Enttäuschung und diskriminierende Verleumdung. Man behauptete, es wäre „keine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gegeben“, weil er den Handschlag „aus geschlechtsspezifischen – und damit mit Artikel 3 Absatz 2 und 3 GG nicht in Einklang zu bringenden – Gründen“ verweigert hätte. Nicht nur aber wurde er haltlos mit Vorwürfen zu seiner Integration verurteilt, sondern im selben Atemzug auch mit einer vermeintlich salafistischen Haltung in Verruf gebracht. So wirft das Gericht dem Oberarzt vor, die Erfüllung seines Versprechens an seine Frau, den Handschlag zu verweigern, diene dazu, „dem Geltungsanspruch einer salafistischen Überzeugung zum Verhältnis von Mann und Frau zu einer gesellschaftlichen Wirkung zu verhelfen.“ Mit anderen Worten ginge es dem Mann also überhaupt nicht um das Erfüllen eines Versprechens, ja nicht einmal um ein verzweifeltes Ausweichmanöver, um sein gesetzlich verankertes eben in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes vorzufindendes Recht auf freie Religionsausübung vor sehr tendenziös urteilenden Menschen wahrzunehmen, sondern ausschließlich um einen gesellschaftspolitischen Schachzug, mit dem er sich die Einbettung, wenn nicht sogar Durchsetzung islamischer Normen trotz offensichtlich bestehender Gegenstimmen in staatlichen Behörden erhoffe. Das Gericht brachte diesen Mann mit Weltanschauungen und entsprechenden Spektren in der Gesellschaft in Verbindung, zu denen er sich kein einziges Mal geäußert und erst recht nicht bekannt hatte. Dass ein neutrales Gericht sich dennoch auf solche Themen beruft und die ganze Debatte vor dem Hintergrund eines angeblichen Salafismus gemäß staatlich festgelegter Erkennungsmerkmale führt, zeigt nicht nur seine von Staat und Medien geprägte vorurteilsvolle Haltung zum Islam und zu Muslimen im Allgemeinen, die allesamt zur Regel mit dem Handschlag nicht anders stehen dürften. Es zeigt vor allem, dass es nicht mehr unabhängig und objektiv über einen Fall zu urteilen vermag, indem es sich von allen Stereotypen und Klischees lossagt und unparteiisch zeigt.

Genauso legt ihm das Gericht in den Mund, er nehme das weibliche Geschlecht „per se als eine dem Mann drohende Gefahr sexueller Versuchung beziehungsweise unmoralischen Handelns“ wahr, was der Mediziner selbst allerdings auch nicht gesagt hatte. Im Gegenteil. Versuche, die der libanesische Oberarzt unternahm, um diese Verleumdung zu unterbinden, wie beispielsweise die Entscheidung, aus Gründen der Gleichbehandlung der beiden Geschlechter auch Männern nicht mehr die Hand geben zu wollen, scheiterten. Man blieb bei dem Vorwurf und tat diese Erklärungen als rein „taktisches Verhalten unter dem Eindruck des Rechtsstreits“ ab. Interessant wäre für den Muslim natürlich zu wissen gewesen, welche Begründung überhaupt vor Gericht zulässig gewesen wäre, um sein vermeintliches Verbrechen mit dem Handschlag bei einer Beamtin wiedergutmachen zu können beziehungsweise, welche Erklärung von ihm nicht als „taktisches Verhalten“ abgestempelt und ignoriert worden wäre. Jede Mühe endete damit, dass man über ihn Dinge sagte, die er so nicht formulierte.

Es ist ein Jammer, dass in einem Rechtsstaat wie Deutschland, von der Verfassung garantierte Rechte vor Gericht erkämpft werden müssen. Dass man dabei aber vor Gericht dieselben Anschuldigungen und antiislamischen Haltungen von Juristen erfährt wie von Boulevardzeitungen, wirft bei den hierzulande lebenden Muslimen Fragen darüber auf, inwiefern sie Deutschland wirklich als ihr Zuhause bezeichnen können. Es scheint, als würde die massive Hetze in Politik und Medien gegen den Islam immer mehr Schichten der Bevölkerung durchdringen, wovon die Justiz mittlerweile nicht mehr unbeeinflusst zu bleiben scheint. Es bedarf eines großangelegten Aktivismus der Muslime, sich den Nichtmuslimen, denen der Islam medial falsch präsentiert wurde, richtig vorzustellen, damit ein Gegengewicht zu den Islamfeinden entstehen und die Sinnlosigkeit der Ängste vor einer Islamisierung des Abendlandes auch von der breiten Masse der Gesellschaft verstanden werden kann. Denn dieser Fall, der seit 2015 andauert und zuletzt vor der Corona-Pandemie vor Gericht diskutiert wurde bis dann Monate später die Entscheidung fiel, zeigte deutlich, dass allein durch das Vertrauen auf die Rechtstaatlichkeit der Behörden, ja sogar der Justiz selbst, die Sicherheit der Muslime nicht gewährleistet werden kann. Ebenfalls war es ein deutliches Zeichen dafür, dass die Muslime ihre Rechte gespalten und alleinstehend nicht einmal per Gericht einfordern können, wenn sie das Unrecht in der Gesellschaft nicht lautstark und gemeinschaftlich verkünden, damit eine größere Anzahl von Bürgern auf das Thema aufmerksam und für die Gleichberechtigung aller Bürger mit unterschiedlichen Bekenntnissen sensibilisiert wird.

Welche Dimensionen das Unrecht gegenüber Muslimen angenommen hat, kommt noch stärker zum Ausdruck, wenn man die ganze Debatte vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie betrachtet, in der seit ihrem Beginn kein Mensch einem anderen mehr die Hand gibt. In einem Land, in dem aus gesundheitlichen Gründen das Händeschütteln verweigert werden darf, seit längerem auch schon muss, darf ein Mann, der lange genug darin lebt, Medizin studiert, alle Kenntnisse in Sprache, Gesellschaft und Politik nachweist, als Oberarzt arbeitet, Steuern zahlt und sich an alle Gesetze hält und verspricht, das auch künftig zu tun, nicht eingebürgert werden, wenn er einer Beamtin die Hand nicht schütteln möchte, die im Normalfall verpflichtet wäre, zum Abschluss die Urkunde überzureichen. Stattdessen muss er vor Gericht ziehen, verlieren und dort noch mehrfach mit weltanschaulichen und politischen Denkweisen in Verbindung gebracht werden, zu denen er sich nicht geäußert hat, als wäre es die Aufgabe des Gerichts, zu ermitteln, ob dieser Mann auch politische Ziele mit seiner Klage verfolgen könnte. Wir als IslamicNews fragten uns, ob dieselbe Debatte auch geführt würde, wenn eine Frau einem Mann den Handschlag verweigert hätte oder es sich nicht um einen Muslim, sondern Andersgläubigen mit gleichen Verhaltensregeln handeln würde, wie zum Beispiel einen orthodoxen jüdischen Rabbi, der den Handschlag ebenfalls verweigert. Möge Allah die Absurdität dieses Rechtsstreits erkennen und jedem Unterdrückten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Möge Allah unseren Bruder mit Standhaftigkeit segnen und ihn Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen lassen. Möge Er ihn zu einem leuchtenden Beispiel für eine friedvolle und gemäßigte, aber auch hartnäckige und langatmige Auseinandersetzung mit dem Unrecht werden lassen. Möge Er ihm und allen anderen Muslimen künftig ein Bewusstsein für ihre kollektive Verantwortung als Ummah Muhammads (saw) schenken. Allahumma amin.

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