
Das Sónar Festival in Barcelona steht vor einer beispiellosen Krise: Mehr als 30 Künstler, darunter die prominenten Namen Arca und Juliana Huxtable, haben ihre Teilnahme an der vom 12. bis 14. Juni geplanten Veranstaltung abgesagt. Grund dafür sind Verbindungen der Festival-Muttergesellschaft Superstruct zum US-Hedgefonds KKR, der in Unternehmen investiert, die mit israelischen Waffenherstellern und illegalen Siedlungen im Westjordanland in Verbindung stehen. Der von über 50 Künstlern und Fans sowie der palästinensischen BDS-Bewegung unterstützte Boykott wirft die Frage auf, ob sich Europas Musikfestivals von umstrittenen Geldgebern lösen können.
Wachsende Proteste gegen KKR
Die Kontroverse begann, als bekannt wurde, dass KKR Superstruct im Juni 2024 für 1,3 Milliarden Euro übernommen hat. KKR kontrolliert damit rund 80 Festivals in Europa und Australien, darunter das Sónar, das Field Day in London und das FIB in Valencia. Die palästinensische BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) rief daraufhin zum Boykott des Sónar-Festivals auf, da KKR in Unternehmen investiert, die den „Genozid in Gaza” unterstützen. Ein offener Brief, unterzeichnet von über 80 Künstlern, forderte das Sónar-Festival auf, sich von KKR zu distanzieren und ethische Finanzierungsrichtlinien einzuführen.
Die Künstlerin Juliana Huxtable erklärte ihren Rückzug mit den Worten: „Die Verbindung zu KKR ist erschreckend. Gewinne aus diesem Festival könnten direkt mit der Unterdrückung in Palästina verknüpft sein.“ Ähnliche Boykotte greifen auf andere Superstruct-Festivals über: So sagten etwa die Künstler Roza Terenzi und Spray ihre Auftritte beim Field Day ab.
Das Sónar Festival reagierte mit mehreren Stellungnahmen. Auf seiner Website betonte es, vollständig unabhängig zu sein und keinen einzigen Euro an KKR weiterzuleiten. Zudem verurteilte es „uneingeschränkt“ die Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza und beendete Partnerschaften mit BDS-kritisierten Sponsoren wie Coca-Cola und McDonald’s. Dennoch bleibt die BDS-Bewegung skeptisch: „Diese Schritte sind das Minimum. Solange die Verbindung zu Superstruct und KKR besteht, bleibt Sónar komplizenhaft“, heißt es in einer Erklärung der BDS-Bewegung.
Das Festival bemüht sich, die Lücken im Programm zu füllen, doch die Absagen haben das Image der Veranstaltung bereits beschädigt. Die Besucherzahlen könnten leiden, wenn der Boykott weiter an Fahrt gewinnt.
Die Debatte um das Sónar-Festival beleuchtet ein größeres Problem: Viele europäische Musikfestivals sind auf Investitionen globaler Finanzkonzerne angewiesen. „Eine Trennung von Geldgebern wie KKR klingt einfach, ist aber finanziell riskant“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Dr. Anna Meier. „Alternative Investoren zu finden, die ethischen Standards genügen, ist in der aktuellen Wirtschaftslage schwierig.“ Zudem könnten vertragliche Bindungen an Superstruct und KKR eine schnelle Loslösung verhindern.
Trotzdem zeigt der Boykott Wirkung: Künstler nutzen ihre Plattform, um politische Statements zu setzen, und zwingen die Veranstalter so, ihre Finanzierungsquellen zu überdenken. Beispiele wie die Band Refused, die trotz Festivalauftritten Spenden für pro-palästinensische Zwecke sammelt, deuten auf alternative Wege hin.
Ob Sónar und andere Festivals ihre Finanzierungsstrukturen langfristig umstellen können, bleibt unklar. Der Druck von Künstlern und Aktivisten könnte die Veranstalter jedoch dazu zwingen, transparenter zu agieren und ethische Richtlinien einzuführen. Doch die finanzielle Abhängigkeit und vertragliche Hürden machen eine vollständige Trennung von umstrittenen Geldgebern wie KKR zu einer Mammutaufgabe.
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