Kopftuch ausziehen oder Toiletten putzen?

Seit mehreren Jahren ist ein wachsender Islamhass in Europa zu beobachten. Was bis heute von manch blauäugigen Leuten für eine bloße Übertreibung gehalten wurde, erweist sich derweil statistisch als bittere Realität. Die Zahl der Verbrechen mit antiislamischen Motiven hat europaweit zugenommen und ist längst kein Problem mehr, was lediglich in muslimischen Ballungsgebieten in Erscheinung tritt. Neben dieser beunruhigenden Entwicklung gibt es aber einen weiteren Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, und zwar die Tatsache, dass dieser Islamhass zunehmend gesellschaftsfähig zu werden scheint. So ist eine zyklisch wiederkehrende Diskussion über eine vermeintlich gefährliche Verbreitung des Islam im Westen in Anknüpfung an die Forderung, den gesetzlichen Rahmen bezüglich der Freiheit der Muslime enger zu gestalten, rund ums Jahr in allen Medien vertreten. Diese Rufe nach einer staatlich gesteuerten Verdrängung des Islam aus dem öffentlichen Leben und einer auf Muslime zugeschnittenen Assimilationspolitik, die einst den Randgruppen der gesellschaftlichen Unterschicht zugeschrieben wurden, sind nun den hohen Kreisen der Politik und Wirtschaft zu vernehmen. Auswirkungen dieses Drucks äußern sich nicht mehr nur in neuen politischen Reformen, sondern insbesondere auch in der Entladung dieses durch die unterschiedlichen Schichten getragenen Hasses im alltäglichen Leben der einzelnen Bürgerinnen und Bürger.

So trat dieser neulich ein weiteres Mal in Frankreich zum Vorschein. Eine junge muslimische Frau namens Hager Barkous (26) italienisch-tunesischer Herkunft wurde genötigt, ihr Kopftuch abzulegen. Die Masterstudentin für Management und internationalen Handel bewarb sich für die Position als Betriebsleiterin für administrative Leitung einer McDonald‘s-Filiale und schaffte es gegen außergewöhnlich viele Konkurrenten zu bestehen. Sie erhielt die Stelle und bewältigte ihren Job ordnungsgemäß – bis zum Wechsel des Managers. Der neue Manager, der die Leitung übernahm, hielt sich nur wenig an die arbeitsvertraglichen Bedingungen, wie Barkous ihn beschreibt. „Als [er] herausfand, dass ich eine Kopfbedeckung trug und meine Arme bedecke, begann er, mich aggressiv aufzufordern, diese abzunehmen. Als ich dem nicht nachkam, erhielt ich daraufhin eine viertägige Disziplinarstrafe“, spricht die Studentin in einem Interview mit NEX24. Als sie nach vier Tagen wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrt, lässt man ihr keine Wahl. Sie soll Toiletten putzen, weil sie mit der Bekleidung keinen Kontakt mehr zu Kunden haben dürfe. Was zuerst wie eine überspitzte Szene aus einem Hollywood klingt, hat ihr Chef laut ihrer Aussage wörtlich wie folgt formuliert: „Kopftuch runter oder Toiletten putzen.“ Barkous weigert sich und wird innerhalb von wenigen Tagen entlassen. Offiziell wird die Kündigung mit einem angeblich „schwerwiegenden Fehlverhalten“ begründet. Sie habe „interne Vorschriften“ (Hygiene- und Sicherheitsvorschriften) nicht eingehalten und damit ihrem Arbeitsvertrag zuwidergehandelt.

Barkous ist entsetzt und kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. „Meine Kollegen arbeiten problemlos mit künstlichen Nägeln, offenen Haaren, Schmuck oder auch langärmeligen Pullovern, war alles kein Problem“, klagt sie empört. Ihr „frischgewaschenes Kopftuch“ habe sogar den Vorteil, dass ihre Haare nicht ins Essen gelangen könnten. Das ist nicht das erste Mal, dass sie an ihrer Arbeitsstelle wegen ihrer Kleidung diskriminiert wurde. Bereits im Jahr 2018, einen Monat nach ihrer Einstellung als vielseitiges Teammitglied in derselben Filiale, hätte ihr der frühere Manager erzählt, dass es Kundenbeschwerden über ihrer Kleidungsstil gegeben hätte. Und das, obwohl er bei ihrer Einstellung ausdrücklich einräumte, kein Problem mit ihrer Kleidung zu haben. Schließlich habe man sich aber nach einem Gespräch unter vier Augen mit dem Manager damals auf eine Position als Empfangsdame einigen können, in der sie sich bereiterklärte, eine Arbeitskappe aufzusetzen und Oberteile mit ¾-Ärmeln zu tragen. Bis zum Managerwechsel hatte ihr dieser Kompromiss anscheinend den damals noch niedrigeren Rang in der Hierarchie am Arbeitsplatz gesichert und der Vorfall wurde deshalb nicht viral. Genauso ergeht es vielen anderen muslimischen Frauen in Europa, deren Stimmen meistens nur gehört werden, wenn sie bis zum Ende gehen und sie laut erheben. So betont der Präsident des Council of European Muslims, Samir Falah, dass dies kein Einzelfall mehr sei, sondern die Regel. „Hager führt einen legalen und menschenrechtlichen Kampf gegen religiöse Diskriminierung. Hager ist einer von vielen Fällen, von denen einige ihre Stimme laut erheben und viele von ihnen Stille und Rückzug bevorzugen. Wir sind mit beunruhigenden Auswirkungen konfrontiert, die den gesellschaftlichen Frieden bedrohen […]“, spricht der Präsident aus Brüssel gegenüber NEX24 und deutet im Zusammenhang mit der Rechtstaatlichkeit auf sein Vertrauen darauf an, dass Hager diesen „legalen Kampf“ gewinnen wird. Dennoch ist die gefährliche Entwicklung in Frankreich und Europa vielen Personen des öffentlichen Lebens offenbar nicht entgangen, woraufhin einige von ihnen, wie etwa Walid Ben Hadia (politischer Aktivisit) und Aymen Abid (Afrika Koordinator der „Jungen Europäischen Bürgerinitiative Plattform“ ihre Solidarität mit Barkous bekundet haben.

So hat sich eine weitreichende Unterstützungskampagne für die Studentin gebildet, die auch in der Bundesrepublik deutlich hörbar wurde und beispielsweise die Aufmerksamkeit vom Bundesvorsitzenden der „Genc ASiP“, Tolga Özgül, auf sich zog. Wie der Fall sich nach der medialen Präsenz und öffentlichen Diskussion entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings der Erfolg Barkous, den erst das mutige Sprechen über das ihr angetane Unrecht mit sich bringen konnte. In diesem Sinne wünschen wir als Redaktion ihr und allen anderen zu Unrecht verurteilten Menschen ein rechtstaatliches Verfahren, in dem die Gerechtigkeit und ihre Würde wiederhergestellt werden. Amin.

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