
Eine Lehrerin eines Gymnasiums in der französischen Stadt Sens wurde für fast zwei Monate vom Dienst suspendiert, nachdem sie in ihrer Klasse eine Schweigeminute für die Opfer des Krieges in Gaza abgehalten hatte. Die Entscheidung der Bildungsbehörde von Dijon, die Lehrerin vom Dienst zu suspendieren, löste heftige Kontroversen und Empörung bei Gewerkschaften und politischen Vertretern aus.
Laut Berichten soll die Lehrerin am 25. März, wenige Tage nach erneuten israelischen Angriffen, die ein Waffenstillstandsabkommen im Gazastreifen beendeten, eine Schweigeminute organisiert haben, um der getöteten Palästinenser zu gedenken. Die Bildungsbehörde wirft der Lehrerin vor, eigenmächtig gehandelt und damit gegen die Neutralitätspflicht des öffentlichen Dienstes verstoßen zu haben. Diese Darstellung wird jedoch von Lehrergewerkschaften wie FO, CGT und SUD angezweifelt, die betonen, dass die Initiative von den Schülern ausging.
„Eine Schweigeminute, die von den Schülern angefragt wurde, bei der jeder, der nicht teilnehmen wollte, sich zurückziehen konnte, führt zur Suspendierung der Lehrerin – wirklich?“, schrieb ein empörter Kommentator auf der Plattform X. Die Gewerkschaften verweisen zudem auf Äußerungen von Bildungsministerin Elisabeth Borne. Im Februar betonte sie die Rolle von Lehrern bei der Würdigung der Opfer des israelisch-palästinensischen Konflikts und verglich solche Gesten mit Aktionen zur Unterstützung der Ukraine.
Die Suspendierung hat auch politische Reaktionen hervorgerufen. So bezeichnete Olivier Faure, Erster Sekretär der Sozialistischen Partei, die Entscheidung als „strafend und weltfremd“. Der Abgeordnete der linksgerichteten Partei La France Insoumise, Éric Coquerel, nahm an einer Demonstration vor der Sciences Po in Paris teil, um gegen die Maßnahme zu protestieren.
Die Kontroverse um die Lehrerin steht im Kontext einer angespannten Debatte in Frankreich über die Meinungsfreiheit und den Umgang mit dem Israel-Palästina-Konflikt. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden Berichten zufolge Hunderte Ermittlungen wegen „Verherrlichung von Terrorismus” eingeleitet, die sich auf Äußerungen zum Krieg in Gaza beziehen. Gleichzeitig verschlechtert sich die humanitäre Lage in Gaza zunehmend: Seit Beginn der Hilfsblockade am 2. März sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 57 Kinder an den Folgen von Unterernährung gestorben. Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens, also etwa 2,1 Millionen Menschen, ist laut dem Integrated Food Security Phase Classification (IPC) von einer Hungersnot bedroht.
Die Entscheidung, die Lehrerin zu suspendieren, wirft Fragen zur Vereinbarkeit von Empathie, Meinungsfreiheit und staatlicher Neutralität auf. Während die Bildungsbehörde betont, dass die Neutralitätspflicht für Beamte unverhandelbar sei, sehen Kritiker in der Maßnahme einen Versuch, die Diskussion über die Lage in Gaza zu unterdrücken. Die Debatte bleibt angespannt, während internationale Stimmen, darunter Frankreich, Großbritannien und Kanada, die eskalierenden militärischen Aktionen Israels im Gazastreifen zunehmend kritisieren.
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