Der seit 19 Monaten inhaftierte türkische Gelehrte Alparslan Kuytul wartet immer noch auf ein Gerichtsverfahren mit einem Ergebnis. Seit seiner Inhaftierung am 30. Januar 2018 konnte ihm noch immer keine Schuld nachgewiesen werden. Alle Gerichtsverfahren diesbezüglich scheiterten oder wurden ohne klare Begründungen vertagt. So begründete die Staatsanwaltschaft seine Inhaftierung ohne Gerichtsurteil damit, dass es derzeit an Beweisen für seine Schuld mangele, weswegen Kuytul weiterhing gefangen gehalten werden müsse. „In dubio pro reo“ („Im Zweifel für den Angeklagten“) heißt es in jedem Rechtsstaat. Doch in der Türkei muss angesichts der Erklärung der Staatsanwaltschaft der gefangene Kuytul erst seine Unschuld beweisen, damit er seine Freiheit erlangen kann. Nicht nur in der Türkei löste diese Willkür der türkischen Behörden Aufsehen aus. Überall auf der Welt posten seine Anhänger oder Sympathisanten Videos auf sozialen Netzwerken, wie z.B. auf Twitter, in denen sie die Unterdrückung der türkischen Justiz anprangern und ein gerechtes juristisches Verfahren fordern. Das ist keine Neuheit: Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Online-Aktivisten, die mit dem Slogan „Keine Politik, sondern Gerechtigkeit“ dieselbe Forderung zum Ausdruck brachten. Denn Kuytul und seine 1994 gegründete Stiftung „Furkan Vakfi“ befand sich bereits vor seiner Inhaftierung massivem staatlichem Druck ausgesetzt. So sind im Laufe der Jahre immer wieder seine Konferenzen mit tausenden Leuten kürzlich abgesagt sowie seine Videos suspekt geschnitten und in manipulativen Berichterstattungen in regierungsnahen Nachrichtensendern missbraucht worden. Dabei wurde meist darauf abgezielt, Kuytul als türkischen Vertreter des IS, der PKK, der FETÖ oder als Agent äußerer Mächte, allen voran der USA darzustellen. Auch physische Gewalt gegen ihn und seine Anhänger in Form von Großeinsätzen der Polizei, Spezialeinsatzkräften, wie der Anti-Terror-Einheiten sowie Wasserwerfern und gepanzerten Wagen wurden immer mehr zum Alltag. Passanten auf der Straße mit Schalen, auf denen „Freiheit für Alparslan Kuytul“ geschrieben stand, wurden häufig festgenommen, weil sie angeblich „einen Schuldigen“ unterstützt hätten, obwohl bis heute noch kein Gerichtsurteil gefallen ist. Im Gegenteil: Am 24. Januar 2019 plädierte das Gericht für eine Freilassung. Nach weniger als 24 Stunden, von denen der Gelehrte neun Stunden auf dem Weg vom Hochsicherheitsgefängnis in Bolu auf dem Weg nach Adana verbrachte, wurde er erneut inhaftiert.
Doch so extrem, ungerecht und unverhältnismäßig die Maßnahmen der türkischen Regierung gegen ihren Kritiker Kuytul auch sein mag, stellen die jüngsten Ereignisse in Adana alles umso mehr in den Schatten. Denn angesichts der bevorstehenden dritten Sitzung des Gerichtsverfahrens am 22. August, für das er zuletzt inhaftiert wurde, verbietet der türkische Provinzgouverneur von Adana allen Sympathisanten oder direkten Mitgliedern der Stiftung Kuytuls jegliche Art des Protestes. Allerdings beschränkt er sich dabei nicht einmal nur auf die aktive Form des Protestes, welches ein Grundrecht in der Verfassung darstellt. Er geht sogar darüber hinaus und erklärt vom 21. August ab 17 Uhr bis zum 25. August um 23:59 Uhr das Betreten des Stadtzentrums mit Fahrzeugen oder zu Fuß allgemein für verboten und setzt einen weiteren Teil der Verfassung (voraussichtlich) für den benannten Zeitraum vollständig außer Kraft. Begründet wird diese radikalste Form des polizeilichen Eingriffs, die mit einer offenen Gefangenenhaltung der gesamten Stadt gleichzusetzen ist, seit langer Zeit mit dem Ziel, politische Aktivitäten, wie z.B. Presseerklärungen oder Sitzblockaden verhindern zu wollen. So schreibt es sich in der vom Gouverneur unterzeichneten Erklärung wie folgt:
„Mit dem Ziel, in der Provinz den Frieden und die Sicherheit, die Unantastbarkeit des Menschen und das Wohl des Öffentlichen Friedens […] zu gewährleisten wird Personen, die unter dem Namen der Furkan-Stiftung oder in Verbindung mit dieser Stiftung operieren und beabsichtigen, Alparslan Kuytul, den Gründer und das geistige Oberhaupt der Stiftung und den Vorstand der Furkan-Stiftung zu unterstützen, verboten, vom 21. August 17 Uhr bis zum 25. August 23:59 Aktionen wie Versammlungen, Presseerklärungen, Sitzblockaden und ähnliche Aktivitäten im Park, in Gärten, auf den Straßen, vor öffentlichen Gebäuden, vor Gebäuden von NGOs, auf offenen oder geschlossenen Plätzen, die der Öffentlichkeit zugänglich oder nicht zugänglich sind, durchzuführen. Aus diesem Grund wird Personen, die mit obengenannten Zielen zu Fuß oder mit ihren Fahrzeugen in das Stadtzentrum kommen möchten, untersagt, dieses zu betreten.“
Als Redakteure von Islamic News, sehen wir uns als die Stimme der muslimischen Ummah und sind nur schwerlich in der Lage, geeignete Worte zu diesem Gipfel der Unterdrückung zu finden. Wir hoffen, dass wir die Herzen einiger Leser erreichen und sie in Bewegung setzen konnten. Wir wünschen allen Geschwistern in der Türkei sowie auf der ganzen Welt, dass Allah Seinen Dienern die Augen öffnet und dieser Unterdrückung ein Ende bereitet. Amin.
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